Expat-Leben

Expat-Leben: Waldspaziergänge und andere Krisen

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Wer das erste Kind erwartet, hört von allen Eltern: „Eure Beziehung wird sich total ändern!“
Wer das erste mal ins Ausland geht, hört von allen Expats: „Eure Beziehung wird sich total ändern!“
Man lächelt freundlich angesichts der wohlgemeinten Warnung und denkt: „Totaler Quatsch! Bei uns doch nicht. Wieso auch.“ Als zweifach Mama und Ex-Expat muss ich sagen: Hinterher ist man schlauer – wie so oft – und eh man sich’s versieht, sagt man selbst die wohlmeinenden Sätze. Objektiv verändert sich die Beziehung vielleicht tatsächlich nicht, aber subjektiv ändert sich in einigen Momenten, wie man die Beziehung empfindet. Zumindest war es bei mir so.

Kind und Ausland – eine Mischung, die es in sich hat

Kind 1 und unser Umzug ins Ausland kamen quasi gleichzeitig und die Euphorie war groß. Noch im ersten Auslandsjahr kam Kind 2 und die Euphorie war etwas gedämpfter.

Ich erinnere mich vor allem an einen einschneidenden Moment: Unser erster Waldspaziergang ein halbes Jahr nach der Ankunft. (Waldspaziergänge in unserer Gegend waren kein leichtes Unterfangen – es gab nämlich keinen Wald.) Wir spazierten also durch den Spencer-Wood (Spencer wie in „Lady Diana Spencer„, deren Familie sich ein Wäldchen leistete) und während wir spazierten, wälzten wir die Frage: Wo soll Kind 2 auf die Welt kommen?

Die Kaiserschnitt-Entbindung von Kind 1 neun Monate zuvor in Deutschland war traumatisch gewesen und genauso traumatisch war der erste Besuch im nächstgelegenen General Hospital wenige Tage zuvor. Die Stunden, die wir mit Kind 1 dort verbringen mussten, waren abschreckend gewesen und der Kommentar der Nanny beängstigend: „I’d rather die in peace at home than go to the General Hospital!“

Und jetzt sollte ich dort entbinden? Mit einem geplanten Kaiserschnitt?

Gefühl der Ohnmacht

In diesem Moment überkam mich jäh eine Welle von Emotionen und mit einem Schlag sah ich unsere Beziehung in einem völlig anderen Licht. Ich war gefangen in einer Situation, die ich nicht wollte, ich fühlte mich ohnmächtig, auf Gedeih und Verderb von jemandem abhängig (in dem Moment sah ich vor allem Verderb.) Am liebsten hätte ich auf der Stelle die Flucht ergriffen.

In Hollywood-Komödien tun die Helden dann meist genau das – vorzugsweise kurz vor dem Altar. Braut oder Bräutigam bekommen kalte Füße, der Auftakt zu allerlei Irrungen und Wirrungen, über die wir mehr oder weniger lachen bis zum unvermeidlichen Happy End. Gut. Das Happy End gab es bei uns auch. Aber die Zeit bis dahin war nur halb so lustig wie in Hollywood.

Mein Ohnmachtsgefühl schlug nämlich um in Wut. Wut auf den Mann, der schuld an allem war. Wohlgemerkt an ALLEM! (Auch am englischen Wetter.) Ihn muss die Keule recht unvorbereitet getroffen haben, denn objektiv war unsere Situation die gleiche wie 24 Stunden vorher. Natürlich war ich bei Licht besehen vorher auch schon abhängig: mit Säugling, in Elternzeit, ohne Wohnsitz in Deutschland. Richtig. Ich hatte es nur nicht so empfunden. Und das ist wohl der Unterschied.

Mit einem Mal sah ich nur noch: Mr. Right did it all wrong.

Aus Ohnmacht wird Wut

Während in Hollywood-Filmen der Amok-laufenden Heldin in der Regel eine verständnisvolle Freundin zur Seite steht, blieb hier alles an meinem Frust-Auslöser alias meinem Mann hängen. Der hat sich den Schuh auch sofort angezogen und mich in seinem Bemühen, jetzt alles dafür zu tun, damit es mir ja wieder gut geht, mit Samthandschuhen angepackt.

Und kennt ihr das? In so einer Stimmung will ich alles, aber NICHT wie ein rohes Ei behandelt werden! Ich bin ja nicht bekloppt, sondern nur eine mega-frustierte Expat-Partnerin, die mit ihren Gefühlen nicht fertig wird! Da kann man eine schöne Abwärtsspirale in Gang setzen:

„Dir kann man ja auch nichts recht machen!“ – „Kann man schon, aber du wolltest ja unbedingt hierher.“ – „Ich hab dich doch nicht genötigt, du wolltest doch auch.“ – „Ja, wegen dir….“ Und so weiter und so fort. Kommt das jemandem bekannt vor?

Moment der Wahrheit

Der Waldspaziergang war sozusagen mein Moment of Truth – mein Moment der Wahrheit. Die Erkenntnis: So ist das jetzt! Das ist das Krankenhaus, in das du gehen musst. Das ist dein Leben als Expatmama für die nächsten zwei Jahre (es wurden vier) mit allem was dazu gehört: viel Zeit daheim, erst mal wenig soziale Kontakte, geschweige denn irgendeine Anerkennung für dein Tagewerk.

Ich war wie gelähmt und der Mann entsprechend hilflos.

Und wie ging es weiter? Ich hatte und habe kein Rezept, das ich euch hier als Patent-Lösung präsentieren kann. Irgendwie hab ich mich gefangen und mein Mann hat nach ein paar Tagen des Schweigens versucht, mir Handlungsspielräume zu schaffen. Er hatte wohl eher begriffen als ich, dass man einen angeschossenen Hund besser nicht in die Ecke treiben darf. :-) Er hat alle möglichen Alternativen für mich durch gespielt und mir damit das Gefühl genommen, nicht mehr Herr meiner Lage zu sein.

Mein Leitsatz wurde:

„Love it. Change it. Or leave it.“

Für die Entbindungsklinik hieß das: Die Alternative in London war mir zu weit (also war „Change it“ keine Option, „Leave it“ erst recht nicht, ein Baby muss irgendwann raus.) Blieb also nur „Love it“ – schließlich hatten ja alle meine Krabbelgruppen-Mütter ihre Babys auch in diesem Krankenhaus zur Welt gebracht. Und siehe da: Es ging! Die OP war besser als daheim, alle waren reizend und den Schimmel in den Ecken hab ich einfach nicht angeguckt.

Mein neues Mantra

Mit dieser Strategie bin ich auch durch die restlichen drei Expat-Jahre marschiert.

Immer wenn ich kurz vor der Schnapp-Atmung war, weil die Falle über mir zuzuschnappen drohte, hab ich mein Mantra hervorgeholt: „Love it. Change it. Or leave it.

Meistens fand ich „Leave it“ keine gute Lösung, „Change it“ klappte oft und „Love it“ immer öfter.

Und wenn es ganz dumm lief, dann hat der angeschossenen Hund in mir den Göttergatten aus dem Nichts heraus böse knurrend angefallen. Sein Mantra in dieser Zeit war wahrscheinlich: „Hunde, die knurren, beißen nicht.“

3 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Julia sagt:

    Das kann ich gut nachvollziehen. Ich weiß noch, wie ich ganz am Anfang unserer Expat-Zeit mich mit einer Freundin dort unterhielt. Sie war mit ihrem Mann schon vorher einmal mit einem Kind in Spanien gewesen, hatte dort das zweite bekommen, dann in Deutschland das dritte und war nun gleichzeitig mit uns in den USA. (Sie hatte übrigens auch ähnlich unterschiedliche Erfahrungen bei den Geburten gehabt und war in ähnlichen emotionalen Zuständen gewesen wie Du). Sie sagte: „Ich glaube, dass man durch so eine gemeinsame Zeit im Ausland entweder auseinander driftet und die Beziehung zerbricht oder man wird so eng zusammengeschweißt, dass einen nichts mehr auseinanderbringt.“ Und ich weiß noch genau, wie ich seit dem Tag immer wieder dachte: Uns schweißt das zusammen, uns schweißt das zusammen. Das war mein Mantra. Und es hat funkltioniert :-)

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