Expat-Leben

Expatmama in Europa, Expat-Leben light?

Expatmama in Europa, Expat-Leben light - www.expatmamas.de - Mamaleben im Ausland

Ich war Expatmama in Europa und seinerzeit die einzige Expatmama, die ich kannte. Inzwischen begegnen mir in der Expatmamas-Gruppe und auch im echten Leben so viele andere Frauen, die mit ihren Familien an allen Enden der Welt leben, dass ich mich manchmal frage: Ist das Expatleben in Europa ein Expatleben light? Quasi Ausland für Anfänger?

Vieles scheint auf den ersten Blick dafür zu sprechen, dass die Hürden in Europa deutlich niedriger sind.

Eine andere Sprache sprechen

Nehmen wir das Beispiel Sprache. Selbst wenn man nicht gerade als Expat in England landet, so wie ich, bestehen ganz gute Chancen, dass man in Europa die Landessprache in Ansätzen aus der Schulzeit beherrscht oder dank Englisch noch recht weit im Alltag kommen kann. Muss man die Landesprache erst noch lernen, dann bleibt einem immerhin ein neues Schriftsystem erspart, wenn auch nicht unbedingt neue Buchstaben.

Andererseits geht es bei Sprache nicht nur um Verständigung, sondern auch um Gedankenaustausch. Bis ich im Englischen ein Niveau erreicht hatte, in dem ich schöne Gespräche führen konnte (im Sinne von inspirierend, tröstend, lustig) verging einige Zeit. Zeit genug, sich unverstanden und allein durch die Wochen zu wursteln. Und selbst bei ausreichender Sprachkenntnis, ist der entsprechende Gesprächspartner, sprich eine Freundin auf Anhieb, nicht garantiert, nur weil man auch Europäer ist. Freundschaften entstehen, weil man u.a. Erfahrungen miteinander teilt. Das kann im Compound am südlichsten Zipfel Afrikas schneller gehen als mitten in Budapest.

Einen neuen Alltag leben

Hier kommen die Lebensverhältnisse ins Spiel. Als Expat in Europa lebt man mittendrin – es gibt keine Compounds, keine umzäunten Expat-Viertel. Beim Umzug ins Ausland führt man in Europa seinen Lebensstil mehr oder weniger fort, es sei denn man wechselt von der Stadt aufs Land oder umgekehrt. Mitten unter Einheimischen fällt man in der Regel nicht weiter auf, die Kinder sind nicht zwangsläufig auf deutsche oder internationale Schulen angewiesen, und innerhalb der EU muss man sich nicht mal mit Arbeitsvisa herumschlagen, um sich als begleitende Expat-Partnerin einen Job zu suchen.

Mit Erwartungen umgehen

Womit man sich aber herumschlagen muss, sind die höheren Erwartungen der Daheimgebliebenen: Denn warum sollte es schwer sein, eine Freundin zu finden? Ging doch im Erasmus-Uni-Jahr auch ganz leicht? Warum sollte man sich in der neuen Rolle als Hausfrau und Mama unwohl fühlen, wenn man doch einfach arbeiten gehen könnte? Ach, und die Kinder fühlen sich unwohl, aber ihr wart doch schon so oft im Urlaub in diesem Land? Da war doch auch alles prima…

Die Crux am Expatleben in Europa ist, dass kaum einer annimmt, dass man Schwierigkeiten hat.

Einkaufen in China – oh ja, dass muss die Hölle sein zwischen all den Krabbeltieren und vor Giften tropfenden Gemüseständen. Ausgehen in Brasilien – wie mutig bei all den bewaffneten Räubern am Straßenrand. Ach, und Yoga-Stunde in Saudi-Arabien – nein, gibt es das tatsächlich? Die Klischees, mit denen man sich auseinandersetzen muss, sind für alle Expats gleichermaßen mühsam.

Der Unterschied ist, dass die Anpassungsleistungen in den Augen Außenstehender unterschiedlich bewertet werden und Expatmamas in Europa dazu neigen, sich diese Bewertung zu eigen zu machen.

Wird also jemand in Fernost von der Familie daheim gefeiert, dass es gelungen ist, einen Babyschwimmkurs zu buchen, ist dasselbe in Italien keine große Notiz wert. Die Expatmama in Italien ist also nicht besonders stolz, dass ihre wochenlange Recherche mit unzähligen Telefonaten, in denen sie nur die Hälfte verstanden hat, weil am Telefon alle so schnell sprechen, endlich den gewünschten Kurs am anderen Ende der Stadt ans Licht gebracht hat. Nein, das ist doch selbstverständlich. Dass die Mama in Shanghai vielleicht nur einen Blick auf den Online-Plan des CompoundPool werfen musste, wissen weder die Mama in Italien noch die Freunde in Deutschland. Stattdessen hat die Mama in Italien ein schlechtes Gewissen, dass sie sich um keine Arbeit bemüht. Sie ist doch in Europa. Bleibt sie etwa tatsächlich daheim, um die Kinder einzugewöhnen und Babyschwimmkurse zu finden?

Eine Familie verpflanzen

In meinem Kontakt mit Expatmamas überall auf der Welt habe ich den Eindruck, dass vor allem diejenigen von ihnen, die in Europa leben, Gefahr laufen, ihre Leistungen kleinzureden. Sie haben eher Probleme, sich in ihrer Rolle als „nur“ Mama und Hausfrau einzufinden, weil sie eher geneigt sind, zu glauben, das sei nicht genug. Sie haben es doch „so leicht“.

Ihnen möchte ich gerne sagen, dass es nicht schwerer wird, eine Familie zu verpflanzen je mehr Kilometer zurückgelegt werden. Das, was sie täglich leisten, hängt nicht von Zeit- und Klimazonen ab. Und ihren Freunden und Familien daheim möchte ich sagen, ein Neuanfang wird nicht dadurch weniger einschneidend, dass man auf demselben Kontinent bleibt.

Und noch etwas möchte ich sagen: Das Schöne, das ich an der Gruppe Frauen bemerke, die bei den Expatmamas versammelt sind, ist, dass sie untereinander diese Vergleiche nicht anstellen. Weil sie alle wissen, was es heißt, von vorne anzufangen – egal wo. Und ich hoffe, dass sich die Expatmamas in Europa, die insgeheim mit sich hart ins Gericht gehen, das immer wieder vor Augen führen, wenn sie glauben, sie hätten kein Recht auch Mal niedergeschlagen zu sein. Oder die sich nicht erlauben, ihre Auslandszeit zu Hause bei der Familie zu genießen. Es gibt kein Expatleben light, oder was denkt ihr?

Autor

Jonna Struwe, freiberufliche Autorin, Bloggerin und Gründerin von Expatmamas.de, dem Portal für Familien im Ausland

9 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Ich stimme mit dir überein, dass Expatmamas in Europa sicher dieselben Schwierigkeiten haben, sich neu zu organisieren, Kontakte zu knüpfen und die Sprache zu lernen. Ich glaube das tägliche Leben kann z.B. in Nordspanien eine weitaus größere Herausforderung sein als in großen internationalen Expatzentren wie Singapur oder Dubai. Ich kann nur von meinem persönlichen Standpunkt aus sagen, dass ich manchmal ein Kleines bisschen „neidisch“ bin, wenn ich Geschichten von Europa-Expats lese. Denn nachdem wir uns hier ein neues Leben aufgebaut haben, grundsätzlich glücklich sind und nur ab und zu mal „Heimweh nach Deutschland“ haben, ist der Weg doch weit und man kann nicht „mal eben“ rüberfliegen. Ein Expatleben in Europa scheint mir in dieser Hinsicht etwas einfacher. Man kann von Barcelona halt mal nur für ein WE nach D fliegen und sich um Familie kümmern. Ein toller Artikel, vor allem für die europäischen Expat-Mamas.

    1. Jonna sagt:

      Ja, du hast Recht. Ohne große Zeitverschiebung und einen Ozean dazwischen lässt sich natürlich mancher Kontakt leichter halten. Ich persönlich musste aber feststellen, dass die theoretische Nähe nicht unbedingt zu vielen Besuchen führt. Eine meiner großen Enttäuschungen in der Expat-Zeit (zumal wir tolle Gästezimmer hatten ;-) ). Wer nicht in einer der europäischen Top-Destinationen lebt (Paris, London, Prag, Barcelona etc.), der wird auch nicht unbedingt mehr besucht. Aber vielleicht wollte man immer schon nach Shanghai, da plant man dann in D auch gerne mal den Jahresurlaub da hin und profitiert von Logis und Fremdenführer vor Ort. ;-) Deswegen ist mir ganz wichtig zu sagen: das Leben im Ausland birgt überall seine Tücken, für jeden fällt etwas anderes mehr ins Gewicht; jeder kämpft mit anderen Themen und genau deswegen sitzen wir alle im selben Boot.

      1. Susan sagt:

        Wunderbarer Artikel! Die Gedanken, die Kathrin beschreibt, hatte ich beim Lesen auch. Sich gegenseitig zu besuchen ist definitiv ein Vorteil, wenn man als Expat in Europa unterwegs ist. Als wir angekündigt haben, dass wir nach Kanada ziehen, haben viele schnell gesagt, wir kommen euch besuchen. Doch nicht alle werden kommen, denn nicht nur die Entfernung, sondern auch die Kosten für Interkontinentalflüge werden den ein oder anderen abschrecken. Vor allem Familien trifft das. Ab 2 Jahren zahlen Kinder den vollen Flugpreis (bzw. nur minimal weniger als ein Erwachsener) und da auch die Lebenskosten hier in Nordamerika höher sind als in Deutschland, kann ich verstehen, dass so eine Reise gut überlegt und geplant sein muss…

  2. Conny sagt:

    Danke für den schönen Artikel! Er macht Mut, sich diese schwierigen Tage, die natürlich auch Europa-Expats haben, einzugestehen. Egal, wem oder was sich die Expat-Mama widmet, ist gut und bedarf keiner Rechtfertigung! Ja, schon allein so ein kleiner Luxus, mit zB. einem Klempner ein Telefonat ohne Sprachbarriere führen zu können, weiß man erst jetzt zu schätzen. Mit dem ‚im Ausland leben‘ ist es so ähnlich wie mit dem Kinder kriegen: Nur wer Kinder hat, weiß, was das bedeutet und wie es sich anfühlt.

    1. Jonna sagt:

      Du sagst es. :-) Und das allerwichtigste ist, dass man für sich selbst den richtigen Weg durch die neuen Gegebenheiten findet und sich nicht selbst durch Vergleiche im Weg steht.

  3. Inke Hamkens sagt:

    Liebe Jonna,
    danke für den wunderbaren Artikel, der gerade richtig kam! Als Europa-Expat stimme ich 100% mit Dir überein. Und in Zeiten der online-Kommunikation, der FaceTime Anrufe und Sprachmessages ist es inzwischen so viel einfacher, sich auch auf der anderen Seite der Welt noch eng verbunden zu fühlen. Klar kann man von beispielsweise Paris „mal eben schnell“ nach Deutschland fliegen, aber das passiert eben doch nur zu besonderen Anlässen oder in den Ferien. Wir sehen unsere Familien kaum mehr als zu unseren USA Zeiten!
    Fazit: wir hatten zwar einen gewissen kulturellen Vorteil im europäischen Ausland gegenüber beispielsweise den asiatischen Expats hier, aber alle verbleibenden Schwierigkeiten treffen auch auf uns zu! Und die werden gerne übersehen. Danke für den Zuspruch!

  4. Ann sagt:

    Liebe Jonna,
    Ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen, dass der Aufenthalt in Portugal mit zwei Kleinkindern viel schwieriger war als in Changchun! Dort gab es einen Compount und viele andere deutsche Frauen, die mich in den ersten Wochen an die Hand genommen haben. In Portugal war ich Einzelkämpfer. Die Expatgemeinde und war eher international und sehr verstreut in einem Radius von ca 60 km rund um Lissabon. Überhaupt mal jemanden kennenzulernen war schwierig und hat lange gedauert. Die portugiesische Sprache ist mir nach wie vor ein Rätsel und trotz Englisch- und Spanischkenntnissen bin ich immer wieder vor die Wand gelaufen. Allerdings waren die Besucher tatsächlich weit zahlreicher als im kalten Nordosten von China!

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