Expat-Leben

Rückkehr-Frust der Expat-Papas

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Oder: Wenn die Familie im Stand-by-Modus lebt

Immer wieder montags stelle ich in der Expatmamas-Facebook-Gruppe eine Frage zu allen möglichen Facetten rund ums Expatleben und jedes Mal entspinnt sich eine rege Diskussion. Bis auf eine Ausnahme. Da herrschte plötzlich tiefes Schweigen. Was war da los?

Anlass meiner Frage war eine Geschichte aus dem entfernten Bekanntenkreis, wo die Familie noch nicht allzu lange wieder zurück in Deutschland war und der Expat-Papa mit der Rückkehr haderte. Und da wir in der Gruppe fast nie über die Männer reden, die in der Regel den Anlass gaben für das Auslandsabenteuer, fand ich es an der Zeit, folgende Frage zu stellen:

Waren eure Männer nach eurer Rückkehr nach Deutschland glücklich und zufrieden mit ihrer beruflichen Situation?

Oder haben sie sich vielleicht schon nach ein paar Monaten nach einem neuen Job umgeschaut, weil sie sich unterfordert / unzufrieden / nicht wertgeschätzt fühlten?
Wie geht ihr damit um, wenn gerade erst die letzte Umzugskiste ausgepackt ist und auf einmal das Thema „Umzug“ wieder auf der Familien-Agenda steht?

Angesichts der sonst so aktiven Gruppe konnte ich kaum glauben, dass ich mit meiner Frage so ins Leere geschossen hatte. Vielmehr regte sich bei mir der Verdacht, dass ich genau ins Schwarze getroffen haben könnte, aber sich niemand aus der Deckung traute. Schließlich war mir klar, dass sich in der Gruppe einige der Frauen auch persönlich kennen, und nicht alles mag man preisgeben. Und siehe da, mein Bauchgefühl hatte Recht: Ich bekam zwar keine Antworten per Kommentar aber dafür als persönliche Nachrichten. Und ich konnte zwei der Frauen für ein Treffen gewinnen, um genau über diese Fragen zu sprechen. Natürlich wollen auch sie nicht verraten, wer sie sind, aber sie waren gerne bereit, anonym ihre Erfahrungen hier zu teilen.

e/m: Liebe Anita*, liebe Barbara*, ich bin euch sehr dankbar, dass ihr mir geschrieben habt, und ich bin überzeugt, dass nicht wenige die Probleme erleben, die ihr bei der Rückkehr hattet.

Anita: Wer entsandt wird, geht in dem Glauben, dass das Leben im Ausland die große Herausforderung ist, nicht die Rückkehr. Man nimmt an, dass das Zurück klar geregelt ist, vor allem was die berufliche Repatriation für den Expat angeht.

e/m: Und genau das war bei euch nicht so?

Anita: Nein. Nachdem mein Mann erlebt hatte, wie es anderen bei der Rückkehr erging, war schnell für ihn klar, dass er sich selber um eine Anschlussstelle im Unternehmen kümmern wollte, um nicht irgendwo zu landen. Trotzdem hat sich diese Position nicht so entwickelt, wie versprochen wurde. Mit der Aufgabe im Ausland hatte sich mein Mann einen beruflichen Traum erfüllt, aber mit der Rückkehr fehlte ein neuer „Traum“, eine neue Perspektive. Klar ist dann die emotionale Fallhöhe ziemlich hoch, darüber hätte er sich vielleicht im Vorfeld schon Gedanken machen müssen. Wenn dann noch dazu kommt, dass das Unternehmen dich zwar kurzfristig versorgt, aber langfristig nichts in Aussicht stellt, dann ist der Frust programmiert.

Barbara: Für meinen Mann hat sich die Entsendung im Grunde zur Sackgasse entwickelt. Die Stelle im Ausland war eine Projektstelle, die eine Beförderung bedeutete; sein Problem bei der Rückkehr war, dass es gab keine Fluktuation auf seiner Hierarchie-Ebene in der Regel-Organisation gab. Durch den Projektcharakter der Stelle im Ausland und dadurch, dass in Deutschland sein ehemaliger Vorgesetzter in den Ruhestand gegangen war, fühlte sich niemand mehr für seine Re-Integration verantwortlich. Die neue Stelle musste er sich selber suchen, er fand aber keine auf der gleichen Ebene und wurde in den letzten zwei Jahren quasi nach unten durchgereicht; inzwischen hat er das Unternehmen verlassen.

e/m: Wie haben sich diese zwei Jahre auf euch ausgewirkt?

Barbara: Natürlich hat diese Situation meinen Mann extrem frustriert und obwohl er immer versuchte, das Beste aus seiner Lage zu machen, war die Grundstimmung angespannt. Dadurch wird es für die ganze Familie schwer, anzukommen und in Deutschland wieder heimisch zu werden. Zumal die fehlende Perspektive im Job meinem Mann so zusetzte, dass er wieder mit dem Gedanken spielte, noch einmal ins Ausland zu gehen, kaum dass die Kinder und ich uns etabliert hatten.

Anita: Das war bei uns aus anderen Gründen ähnlich. Mit der Entsendung war für meinen Mann, wie gesagt, ein Traum in Erfüllung gegangen. Zurück in Deutschland kam das große Loch. In der Firma hatte er das Gefühl: Jetzt bin ich halt wieder da, so what? Also schwebte immer der Gedanke im Raum: Vielleicht muss ich woanders hingehen? Wir hatten uns gerade eingerichtet und ich hatte nach der ganzen Übergangszeit endlich wieder Muße, mich um meine Ziele zu kümmern, und da saß der Mann neben mir und scharrte schon wieder mit den Hufen.

Barbara: Ich habe den Eindruck: Für die Männer ist das in dem Moment nur ein weiterer Jobwechsel; für uns Frauen dagegen ein ganzer „Lebenswechsel“. Bei der Entsendung haben wir schon einmal mindestens den Job gegen einen völlig neuen Job getauscht, meistens aber gegen das Hausfrauendasein. Und dann, kaum da, soll das schon wieder losgehen? Jedes Mal müssen wir uns selbst neu erfinden und die ganze emotionale Arbeit, die ein Auslandsumzug für die Familie mit sich bringt, lastet auf unseren Schultern. Es kostet so viel Energie, dafür zu sorgen, dass die Kinder im neuen Leben gut zurechtkommen, das braucht Zeit. Zeit und Energie, die mir dann anderswo fehlt.

Anita: Ich empfand diese Zeit nach der Rückkehr als große Belastung: Einerseits weiß man, dass der Mann unzufrieden, ja sogar unglücklich ist mit der Situation in Deutschland, andererseits ist man gerade dabei, sich selbst wieder ernster zu nehmen. Mein einziger Gedanke war: „Ich will nicht schon wieder neu anfangen.“ Nicht mal innerhalb Deutschlands hätte ich umziehen wollen in dem Moment.

Barbara: Ja. Netzwerke kann man nicht einfach verpflanzen. Man hat das Gefühl, man fällt ständig zurück auf Los.

e/m: Und wie habt ihr dann dieses Dilemma für euch gelöst?

Barbara: Klar war die Situation schlimm für meinen Mann und eine große Enttäuschung für ihn. Andererseits: Es war SEIN Wunsch, der mit der Entsendung in Erfüllung gegangen war, jetzt war ICH mal dran. Wer sagt denn, dass das Nettogehalt bestimmt, wer wann was macht? Wir Frauen sind leider weniger klar in dem, was wir wollen.

Anita: Ich weiß nicht, ob ich sagen kann, dass wir eine Lösung gefunden haben. Es lief darauf hinaus, dass er sowohl interne als auch externe Bewerbungsgespräche geführt hat, die ihm Bestätigung gegeben haben. Ich denke, das war notwendig. Gleichzeit habe ich klargemacht, dass ein Bewerbungsgespräch noch nicht bedeutet, dass ich alles mittragen werde.

e/m: Was ich bei dem Thema erstaunlich finde, ist, dass die Firmen so viel investieren, um jemanden zu entsenden und offenbar so wenig darüber nachgedacht wird, was bei der Rückkehr mit dem Mitarbeiter passieren soll. 

Barbara: Ich denke, in unserem Fall war das ein Konzernproblem. Der Einzelne spielt da keine Rolle und wenn der Vorgesetzte nicht mehr da ist, der ein persönliches Interesse an der Rückkehr eines Mitarbeiters hat, dann wirst du schnell rausrotiert.

Anita: Für meine Begriffe ist das eines der größten Probleme bei der Rückkehr. Man rechnet als Expat nicht damit, dass das entsendende Unternehmen nichts anzubieten hat. Man wartet, dass Versprechen eingelöst werden und es passiert nichts. Und Unterstützung für die Rückkehr der Familie gibt es schon mal gar nicht, keine Relocation-Agentur, die dafür da ist, im Alltag schnell wieder in Tritt zu kommen. Natürlich kann einem niemand die eigentliche Integrationsarbeit abnehmen. Frustrierend ist aber, dass diese Integrationsarbeit von allen Seiten unterschätzt wird, dass oft nicht mal der eigene Mann erkennt, wieviel Zeit und Energie es kostet, Teil einer Gemeinschaft zu werden.

e/m: Und in dieser Situation trifft es besonders hart, wenn der Mann beruflich so unzufrieden ist.

Anita: Genau. Denn wofür hat man diesen ganzen Aufwand betrieben? Nicht nur einmal, sondern bei vielen Expats ja auch mehrmals. Du hast das Gefühl, deinen Teil der Abmachung erfüllt zu haben, und das Unternehmen erfüllt seinen nur halb.

e/m: Ihr habt ja nun beide diese Klippe umschifft, würde ich sagen. Habt ihr Tipps für andere?

Anita: Ich weiß nicht, ob ich Tipps geben kann. Ich glaube, es kann schon helfen, wenn man darauf vorbereitet ist, dass diese Klippe kommen kann. Bei der Ausreise war mir nicht bewusst, dass die berufliche Rückkehr unklar sein kann für meinen Mann. Vielleicht war es naiv, anzunehmen, dass das Unternehmen schon aus Eigeninteresse sich darum kümmern würde. Es war uns auch nicht klar, dass es eine Sache ist, sich einen Traum zu erfüllen, und eine ganz andere danach auch noch Erfüllung im Leben zu finden. Außerdem muss man als Expatmama ein Bewusstsein dafür schaffen, was es bedeutet, eine Familie zu verpflanzen. Damit meine ich nicht, dass man dem Mann vorjammert, was alles schwer ist, sondern klar die Agenda, die To-dos kommuniziert, die das mit sich bringt.

Barbara: Mein Tipp? Im Gespräch bleiben, wie es so schön heißt, und sich erlauben, die eigenen Rahmenbedingungen klar abzustecken. Der Anschluss-Job für den Mann ist nicht wie erhofft? Dann darf ich das blöd finden, aber ich muss nicht sofort mitziehen zum nächsten Ufer. Ich darf meine Bedürfnisse trotzdem formulieren.

e/m: Und wenn man (noch) keinen eigenen neuen Job in die Waagschale werfen kann?

Anita: Ja, dann ist das besonders schwer. Bei mir war das so. Ich wollte selbständig arbeiten, aber ich hatte noch keine festen Aufträge und konnte nur geltend machen, dass ich so kurz vor dem Ziel, endlich Fuß zu fassen, nicht schon wieder alles hinwerfen kann, auch wenn ich so etwas wie eine mobile Karriere anstrebe. Ein Umzug ist immer ein Zeit- und Energiefresser. Man kann es nicht oft genug sagen. Meine Bemühungen wären für Monate auf Eis gelegen.

Barbara: Im Grunde ist die Situation die klassische Wiedereinstiegsproblematik, der sich jede Mama nach der Babypause ja auch gegenüber sieht, vielleicht noch potenziert um das Problem, dass es in der Regel nicht um die Rückkehr in ein bestehendes Arbeitsverhältnis geht. Aber es geht für uns Frauen darum, laut und deutlich zu sagen, was wir wollen. Es darf nicht auf unseren Schultern lasten, was die Unternehmen bei der Re-Integration ihrer Expats verschlafen.

e/m: Das klingt sehr selbstbewusst.

Barbara: Im Nachhinein ja. Ich habe viel mit mir gerungen, dass ich das so zu mir und auch zu meinem Mann sagen konnte. Aber ich hatte solche Freude an meinen neuen Projekten – das konnte ich nicht aufs Spiel setzen. Und meine Unzufriedenheit wiegt doch genauso viel wie seine. Also muss man eine Lösung finden, die für beide akzeptabel ist. Das kann eine weitere Station im Ausland oder sonstwo sein, MUSS es aber nicht.

e/m: Ich danke euch beiden sehr für das offene Gespräch.

*Namen von der Redaktion geändert

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Mehr zum Thema Rückkehr nach Deutschland findest du hier: Expatmamas-Wissen: R – Rückkehr und Reverse Culture Shock

4 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Julie sagt:

    Hallo Jonna, ich bin weiblich und ‚entsendet‘, also bin im Unisystem eines anderen Landes eingestiegen, weil das für ein erfolgreiches internationales Forscherdasein entscheidend ist. Leider erlebe ich Deutschland als sehr festgefahren und enttäuschend. Habe mir eine Rückkehr wesentlich leichter vorgestellt. Mit Menschen, die mal weg waren kann man hier wenig anfangen. Sie werden oft mit Einstiegsstellen, statt wie zuvor mit dem was sie wirklich können bedacht. Und wer nicht in die vorgefestigten Denkboxen und Karriereleitern passt, dem bleibt am Ende irgendwie nur die Selbständigkeit. Ja ich habe mit Statusverlust gerechnet, aber nicht damit, dass Menschen mich aus Unsicherheit klein machen, mich als Überflieger und Getriebene bezeichnen anstatt das Potential zu sehen, das vor ihnen steht. Es ist sehr ernüchternd und tut gut zu lesen, dass auch in Betrieben und bei Männern ähnliche Erfahrungen vorgehen. Ein bisschen macht er mir Mut dein Artikel, an diesem desillusionierten Tag. Wo gibt es in Deutschland Menschen, Führungskräfte, Unternehmenskulturen, die offen für Menschen sind, die Vielfalt leben? Und ja am liebsten möchte ich auch wieder weg, in das Land mit seiner offenen und großdenkenden Art, welche aktiv die Zukunft der Welt beeinflusst, hinein ins Machen, wo keiner vor meiner Erfahrung in Schockstarre verfällt, wo mir auf Grund der Erfahrung neue Chancen geboten werden. Danke, dass du diesen Artikel verfasst hast. LG Julie

    1. Jonna sagt:

      Liebe Julie,
      ja, manchmal kann es ein Trost sein, wenn man hört, dass selbst die vielgelobte Wirtschaft viel zu oft nicht besser mit ihren Expats umgeht. Und es hilft, es nicht persönlich zu nehmen und am eigenen Potenzial zu zweifeln. Aber eigentlich ist das, was du beschreibst, sehr bitter. Ich habe manchmal den Eindruck, eine Qualifikation, wie ein Auslandsaufenthalt, wird von denjenigen Vorgesetzten als Bedrohung gesehen, die das nicht selbst vorweisen können. Schade. Denn Aufgabe eines Chefs ist doch, die Potenziale der Mitarbeiter zu entwickeln – we rise by lifting others. Ich wünsche dir sehr, dass du einen Ort findest, wo diese Führungskräftekultur gelebt wird und wo geschätzt wird, was du an Erfahrungen einbringen kannst. Alles Gute
      Jonna

  2. Anka sagt:

    Danke danke danke für diesen Artikel. Ich finde ihn so extrem kostbar und hilfreich. Es tut so gut zu lesen, wie andere die Rückkehr erlebt haben, denn ich mache mir da auch jetzt schon Gedanken, wo es noch in weiter Ferne liegt. Und es tut so gut zu lesen, wie es anderen Frauen da ging. Und schließlich tut es auch einfach gut das so zu lesen, wieviel Arbeit das Ganze für den mitausreisenden Partner, meistens ja die Partnerin bedeutet. Denn da ist soviel unsichtbare Arbeit, die da geleistet wird.
    Danke, dass Ihr eine Form gefunden habt, über dieses Tabu zu sprechen!

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