Glückskeks des Monats

Unser Glückskeks im September: Linksverkehr

Zu den Anekdoten-Klassikern unter Expats gehören Verkehrsgeschichten: Taxifahren in China, Zweiradchaos in Fernost oder der Klassiker unter den Klassikern, Selberfahren im Linksverkehr.

Autofahren für Anfänger

Für ein bisschen Schadenfreude heute also ein Schmankerl aus dem Mutterland der Rechtslenker. Die Tatsache, dass ich mir fast täglich die Hand an der Fahrertür verstauchte bei dem Versuch, mit der rechten Hand zu schalten, ist noch keine Geschichte wert. Auch meine Sorge, beim Abbiegen nicht die richtige Straßenseite zu erwischen, hat sich als unbegründet erwiesen. Doch es kam der Tag, an dem bei meinen Fahrten durch die englischen Hügel die Mülltonne in einer Linkskurve in Clipston und die Verkehrsinsel in West Haddon etwas ungünstig standen. Wobei erwähnt sei, dass ich ohne die Begegnung mit der Mülltonne sicher die Verkehrsinsel in der Woche darauf nicht getroffen hätte. Vielleicht mag man mir das entlastend anrechnen.

Wie auch immer. Auf dem Weg zur Babygruppe war ich in Clipston in meinem Bemühen, in einer engen Kurve nicht zu sehr in die Straßenmitte zu gelangen, etwas nah an eine Hecke gekommen. Die Kratzspuren der Zweige hätten genügt, doch leider köpfte die Mülltonne, die am Ende der Hecke in der Hofeinfahrt stand, den Außenspiegel. Dienstag war Abfuhrtag. Ich hätte wissen können, dass am Straßenrand etliche Tonnen lauerten.

Nach dieser Erfahrung war ich in der Woche danach in West Haddon darauf konzentriert, nicht zu sehr am Straßenrand zu fahren. Leider rammte ich deswegen mit dem Vorderrad die Verkehrsinsel in der Straßenmitte. Trotz des ordentlichen Schlags bin ich erhobenen Hauptes weitergefahren und habe es mit Mühe bis in nächste Dorf geschafft. Die letzten Meter bin ich auf der Felge gerollt. Dann stand ich mit Baby aber ohne Kinderwagen am Ortseingang und musste mich von meinem Mann retten lassen. Die Aktion war etwas aufwändiger für ihn und hat einen halben Arbeitstag gekostet. Aber schließlich hatte ich die Schrecksekunde. ;-)

Die Wochen danach verliefen glimpflich – bis zum nächsten Sommerurlaub in der Heimat. Ich fuhr souverän ins Parkhaus, um dann einige Sekunden ratlos vor der Schranke zu stehen. Der Kartenautomat stand dahinter. Als mir Scheinwerfer aus der dunklen Garage entgegen leuchteten, traf mich die Erkenntnis wie der Blitz: Ich stand in der linken Fahrbahn, die in Deutschland bekanntlich die Ausfahrt ist.

Der Text ist ein Auszug aus „Von Babys und Briten – Anekdoten einer Expat-Mama“ (Anm. d. Red.: Vergriffen seit 09-2023)

Autor

Jonna Struwe, freiberufliche Autorin, Bloggerin und Gründerin von Expatmamas.de, dem Portal für Familien im Ausland

2 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Chrystelle sagt:

    Die Geschichte ist sehr lustig und das kann ich vollkommen verstehen, da mir auch so etwas in England passiert ist. Ich fange an zu denken, dass ich wirklich eine sehr schlechte Fahrerin bin. Immerhin mein Mann scheint es zu meistern, d.h. es liegt wahrscheinlich an mir, dass ich mich nicht an den Linksverkehr gewöhne… Na ja vielleicht kommt es doch irgendwann mit der Erfahrung. Ich habe noch ein paar Monate vor mir zum Üben!

  2. Xenia sagt:

    Ich erlebe gerade Autofahren in Mexiko-Stadt :-) Gestern bekam ich von meiner Firma einen temporäres Fahrzeug – einen VW Beetle. Leider ohne Navi. Wie fährt man ein Auto ohne Navi 20km im Feierabendverkehr bei Regen durch Mexiko-Stadt? Zudem wenn sich das (noch) deutsche Handy partout nicht mit dem Internet verbinden will, um Navigationshilfe zu leisten? Nun, man findet heraus, dass das GPS ja auch so läuft und man seine Stellung und Bewegung zumindest als blauen Punkt auf der Stadtkarte mitverfolgen kann. Und so bin ich nun also los: mein Handy immer in der rechten Hand, auf dem der Stadtplan ‚mitläuft‘, während ich fahre. Da der VW-Beetle aber ein Automatikwagen ist, und es im Verkehr von Mexiko-Stadt eh nie schneller als 40 km/h geht, ist das gut machbar. An der ersten roten Ampel halte ich an – auf dem einzigen Stück Weg mit wenig Verkehr. Ich bin die erste an der Ampel – rechts und links neben mir sind die Spuren frei. Da sehe ich von hinten ein Auto nahen, dass seine 40 km/h scheinbar trotz roter Ampel nicht drosseln will… und einfach drüber fährt. War ja frei. Wie blöd von mir, dass ich da einfach angehalten hatte! Man hält natürlich nur dann an roten Ampeln, wenn Verkehr kommt! Ich halte viel von kultureller Integration, reisse mich zusammen und gebe – trotz weiterhin roter Ampel – Gas. In guter mexikanischer Manier überfahre ich in dieser ersten Stadtfahrt also schon 3 rote Ampeln. Ich muss gestehen, nach Jahrzenten Autofahren in Deutschland fühlt sich das fast befreiend an. Man kommt nach Hause und ist geradezu stolz. Dazu passt übrigens, dass ich zur Aushändigung meines mexikanischen Führerscheines in keinster Weise belegen musste (weder durch Dokumente noch praktisch), dass ich überhaupt in der Lage bin autozufahren. Ich musst nur 388 Pesos zahlen und viele Fragen beantworten, die bei eventuellen Unfällen Hilfe leisten sollen und beim Strassenverkehramt hinterlegt sind: Allergien, Blutgruppe, Kontaktpersonen, etc. Hmmm…. ob diese 3 Dinge (nicht existente Verkehrsregeln, keine Führerscheinprüfung und Erste-Hilfe-Daten bei Unfällen ) in irgendeinem Zusammenhang stehen? Wollen wir es nicht ausprobieren. Trotz des gefühlten Befreiungsschlags in Bezug auf die strengen deutschen Reglements, macht eine gewisse Beachtung unserer Verkehrsregeln auch hier wohl vollends Sinn. Und so versuche ich ab jetzt mir in Sachen Autofahren eine gewisse kulturelle Eigenständigkeit zu bewahren :-)

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