Expat-Leben

Unsichtbar

Unsichtbar - www.expatmamas.de/expatmamas-blog/ - #lebenimausland #expatleben #expatmama

Wisst ihr, wie ich mich in den ersten Wochen, nein Monaten! im Ausland gefühlt habe? Unsichtbar.

Unsichtbar für die Menschen, die man daheim in Deutschland gelassen hat und die wegen der Entfernung kaum bis nichts von meinem neuen Alltag mitbekamen; ein bisschen „aus den Augen aus dem Sinn“.
Unsichtbar für die Menschen in der neuen Heimat, weil mein Alltag (noch) kaum Schnittpunkte mit ihrem hatte, weil ich noch zu keinem anderen Leben dazugehörte.
Unsichtbar für den Mann, der den Großteil meines Alltags nicht mit erlebte außer am Wochenende.

Allein das Töchterlein hätte tagsüber bemerkt, wenn ich mich tatsächlich in Luft aufgelöst hätte, aber ich weiß, dass jede Expatmama mit größeren Kindern sogar zu einem guten Teil für die Kinder unsichtbar ist, wenn diese in die Schule oder Kita gehen.

Und dieses Gefühl des Unsichtbarseins machte für mich das Alleinsein so schwer.

Aber wie kann man sich wieder sichtbar fühlen?

Allen erzählen, was man den ganzen Tag tut?

Hmm, was gibt es da zu erzählen, fragt man sich manchmal?

Dass man es geschafft hat, mit einem rechtsgesteuerten Auto unbeschadet in die Waschstraßengasse einzufädeln?

Dass man Lyoner Wurst im englischen Supermarkt ergattert hat?

Muss einem liegen.

Ich mag das Schreiben und habe deswegen alle in der alten Heimat regelmäßig mit einem Rundbrief über unsere Erlebnisse unterhalten. In diesen Momenten des Schreibens hab’ ich mich ein wenig sichtbarer gefühlt, denn zumindest von einer Handvoll Adressaten kam eine Antwort.

Heute schreibt man Blogs und ich denke, sie sind auch ein Signal zu zeigen: „Hallo, ich bin noch da. Seht ihr mich?“ Vielleicht ist das auch ein Grund, warum Social Media insbesondere Instagram bei Expats so beliebt ist? Weil man sichtbar ist. Zumindest für Augenblicke. Man kann die neuen Lieblingsorte zeigen. Entdeckungen teilen. Die Kinder präsentieren bei ihrem nächsten großen Entwicklungsschritt (Guckt mal, sie kann sitzen!). Das ist toll! Hätte ich gerne gehabt – Bilderbuchbilder aus den englischen Hügeln hätte es hunderte, ach was: tausende! gegeben. Und die süßen Kinder erst! (Über die vielen guten Gründe für einen Expatblog habe ich schon hier geschrieben.)

Es ist so wichtig, zu spüren, dass man vielleicht aus dem Blickfeld, nicht aber aus dem Leben der anderen verschwunden ist. Jeder Klick, jedes Herz, jeder Daumen ist ein Signal, dass man nicht mehr ganz so unsichtbar ist – zumindest virtuell. Doch wenn die Apps schweigen, ist das Leben genauso still wie zuvor. Und dann ist die Stille manchmal noch bedrückender.

Es ist schwer zu akzeptieren, dass man tatsächlich erst allmählich wieder eine sichtbare Rolle im realen Leben anderer spielt. Wenn z.B. eine andere Mama im neuen Kindergarten dich zum ersten Mal um einen Gefallen bittet. Oder wenn der Nachbar sich etwas leihen möchte. Oder wenn jemand im Supermarkt deinen Namen ruft. Nie werde ich diesen Moment vergessen (und ich habe euch in einem Glückskeks schon einmal davon erzählt): Ich stand an der Kasse und hörte plötzlich „Jonna!“ von weiter hinten. Es war eine Mama aus der Babygruppe, die mich in der Schlange erspäht hatte, und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer: „Juhu, jemand kennt mich! Und mag mit mir reden.“ (Sie hätte ja auch still bleiben können; dann wär’ sie wahrscheinlich unentdeckt geblieben.) In diesem Moment habe ich mich zum ersten Mal sichtbar, angekommen, richtig zu Hause gefühlt. Herrlich! Der Unsichtbarkeitszauber war gebrochen.

Und bei dir? War für dich dieser kleine magische Moment schon da? Hat dich jemand auf der Straße erkannt? Mit Namen gegrüßt? Bemerkt, dass du in einer Gruppenstunde fehlst? Dich um Hilfe gebeten? Für jede Expatmama gibt es einen anderen Auslöser, sich endlich wieder sichtbar zu fühlen. Und ich würde mich freuen, wenn die ein oder andere davon erzählen mag. Wann hast du dich endlich wieder sichtbar gefühlt? Oder war dieser Moment noch nicht da? Was würdest du brauchen, um dich endlich weniger unsichtbar zu fühlen? Ich bin sehr gespannt auf eure Kommentare.

Autor

Jonna Struwe, freiberufliche Autorin, Bloggerin und Gründerin von Expatmamas.de, dem Portal für Familien im Ausland

11 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Irmi sagt:

    Bestens analysiert! Wenn man am neuen Ort – und überhaupt im Leben – Rückmeldung, Ansprache, Beachtung bekommt, fühlt man sich gleich ein bisschen mehr zugehörig.

  2. Nicole sagt:

    Liebe Jonna

    Davor fürchte ich mich grade am meisten. In drei Monaten geht es mit Mann und schulpflichtigen Töchtern ins Ausland. Die Sprache spreche ich noch holprig und bin weder auf Instagram noch auf Facebook aktiv.

    Ich frage mich, wie bleibe ich erreichbar oder eben, teile meinen Alltag in der Ferne mit meinen Lieben. Das 1×1 zum Blogschreiben habe ich auf Deiner Deite gespannt verfolgt. Ob ich es umsetzen kann, werde… mal sehen wie ich klarkomme. Danke, dass es diese Plattform gibt. Man fühlt sich gesehen, da alle nehr oder weniger im gleichen Boot sitzen.
    Liebe Grüsse Nicole

    1. Jonna sagt:

      Liebe Nicole,
      ich kann das sehr gut nachvollziehen und ich kann dir zum Trost sagen: es ist eine Phase und wird vorbeigehen. Bestimmt. Schule ist ein wichtiger Anker – meine Kinder waren noch zu klein, das hat es schwerer gemacht, Kontakte zu finden. Wo werdet ihr hingehen? In den USA z.B. ist Facebook fast unerlässlich. Ich selbst hatte lange Berührungsängste mit Social Media, aber es gibt gute Möglichkeiten, das privat zu nutzen ohne sozusagen „vor der Welt alles zu zeigen“. Wenn du Fragen dazu hast, melde dich gerne. Ich denke wirklich, das vor allem Instagram in unserem Smartphone-Zeitalter ein guter Weg sein kann, für die kleinen Kontakte zwischendurch. Je nach Zeitverschiebung ist telefonieren ja schwierig. Alles Gute für die Vorbereitung und melde dich gerne bei Fragen.
      LG Jonna

  3. Ilka sagt:

    Der Beitrag trifft jeden Nerv gerade… ausgerechnet zum Schuljahresstart war mein Partner für drei Wochen in Europa und hat auch den Einführungsgottesdienst der Konfis – zu denen dieses Jahr auch unsere Tochter zählt – verpasst. Seitdem er wieder da ist, ist er trotzdem nicht wirklich anwesend. Mein Jobangebot als freie Autorin hat keine Reaktion bei ihm ausgelöst. Das Pubertierchen ist ENDLICH angekommen (so scheint es) und damit bin ich aber gerade völlig uninteressant. Einerseits stimmt mich das mega-glücklich, dass der lachende Wirbelwind zurück in meinem Leben ist, andererseits habe ich das Gefühl, dass ich wieder ein Stück weit nach hinten rutsche oder eben unsichtbar geworden bin… da helfen auch gerade die Freundschaften nicht, die ich hier schon geschlossen habe ‍♀️

    1. Jonna sagt:

      Das tut mir sehr leid, zu hören, und gleichzeitig freue ich mich sehr, dass das Kind nun angekommen und glücklich ist! Und herzlichen Glückwunsch zu deinem Jobangebot als Redakteurin! Das finde ich toll! Jemand sieht dich und schätzt deine Kompetenzen! Und wenn dein Partner nicht so sehr an der Redakteurin in dir interessiert ist, dann vielleicht an dir als Begleitung für schöne Ausgeh-Abende. :-) Alles Liebe nach Fernost

      1. Ilka sagt:

        Dankeschön!! Es wird sich schon wieder zurechtrücken… ich habe mit diesem Loch nur so gar nicht gerechnet … Liebe Grüße zurück und ein herzliches Dankeschön für die tollen Themen und den Support! Ilka

  4. Nicole sagt:

    Toller Artikel. Das Gefühl unsichtbar zu sein kenne ich leider auch. Das wichtigste ist sich raus zu trauen und zu versuchen Anschluss an die neue Welt zu finden.

  5. Kirsten sagt:

    Liebe Jonna, sehr guter Artikel. Diesen Zustand kennen sicher viele, die anfangs als Expat im Ausland sind. Einen Aspekt möchte ich als Denkanstoß jedoch einwerfen. Unsichtbar ist man oft nicht für alle diejenigen, die zuhause zurückgeblieben sind. Wir verfolgen ganz genau all die Geschichten aus der Ferne und freuen uns mit oder leiden auch mal mit. Jedoch haben wir auch manchmal das Gefühl, dass wir zum „neuen“ Leben nicht dazu gehören und daher ein wenig zurückhaltend sind uns da „aufzudrängen“ und nicht so richtig wissen, wieviel „altes“ noch Platz hat – das wird dann gerne mal verwechselt mit Gleichgültigkeit.
    Ich selbst sitze jetzt mal zur Abwechslung auf der Seite derer, die in DE zurück sind und 3 meiner guten Freunde sind jetzt als Expats irgendwo in der Welt – und ich kann dir sagen, dass man sich da auch schnell überflüssig fühlt, wenn man die vielen neuen Erlebnisse der Ausgereisten liest. Da bedarf es manchmal Überwindung sich noch wichtig als Freunde in deren Leben zu fühlen :-) Ich denke, das Gefühl plötzlich unsichtbar zu sein gilt leider auch manchmal für die „zuhause“. Man kann das zwar als Ex-Expat eher verstehen, aber leicht ist es dennoch nicht immer…..Ich drücke dich und freue mich auf deinen nächsten Artikel ⭐️

    1. Jonna sagt:

      Liebe Kirsten,

      das ist sehr gut, dass du auch die andere Seite hinzufügst. Und ich bin mir sicher, dass für das „Alte“ noch Platz ist. Sich verbunden zu fühlen ist schwer über die Distanzen. Zeit mal wieder FaceTime oder Skype zu nutzen. An beiden Enden. :-) Liebe Grüße

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