Oder: „Hier in den Emiraten kommt nichts weg!“
Neulich war ich im Supermarkt in Abu Dhabi Wocheneinkauf machen. Eigentlich nichts Besonderes. Zuvor stoppte ich an einem der vielen Geldautomaten; doch die Summe, die ich eintippte, wollte meine Kreditkarte nicht herausrücken. Januar ist eben ein kostenintensiver Monat, auch hier – da kann das schon mal passieren.
Enttäuscht manövrierte ich meinen Einkaufswagen rückwärts. Ein emiratischer Vater näherte sich in seinem edlen weißen Gewand. Er schob einen Kinderwagen samt Baby vor sich her. Mit freundlicher Geste machte ich Platz, er dankte lächelnd. Aus den Augenwinkeln sah ich seine Frau in Abaja* mit einem kleinen Mädchen an der Hand sich hinzugesellen.
Ich ging meiner Wege und begann, nach und nach die Posten meines Einkaufszettels abzuhaken. Als ich bereits auf dem Weg zur Kasse war und vor dem Kühlregal mit den französischen Käsesorten nur noch schnell entschied, ob es der übliche Camembert oder doch Ziegenrolle oder aber Roquefort sein solle – sprach mich einer der Wachmänner an, die in den Einkaufstempeln hierzulande überall Dienst tun:
„Excuse me, Ma’m, did you lose your credit card?“
Erschrocken warf ich einen Blick in mein Portemonnaie: Genau – die Kreditkarte war weg! Er erklärte, dass jemand eine gefunden habe. Und da er, der Wachmann, mich vorhin vom Geldautomaten weggehen sah, habe er einfach vermutet, dass das ja ich sein könnte … So hatte er mich akribisch auf den zwei Etagen des Supermarktes gesucht und schließlich, gerade noch rechtzeitig, gefunden!
… „doch wem gehört das Geld?
Halb benommen vom Schreck folgte ich ihm zum Verwaltungstrakt. Dort stellte die Sicherheitsmitarbeiterin, Mariam von den Philippinen, anhand meiner ID-Card (mein emiratischer Personalausweis, so lange wir hier leben) schnell fest, dass es sich tatsächlich um meine Kreditkarte handelte. Ich musste nur unterschreiben, und schon händigte mir Faysal Said Hassan meine Karte aus: gebürtiger Somalier und der Kundenservice-Manager des Carrefour. Nur ein Rätsel war noch offen: Der Finder der Karte hatte zusätzlich noch eine Geldsumme im Automatenschlitz entdeckt. Ich war jedoch überzeugt: Diese unrunde Zahl da hatte ich niemals angefordert! „Keine Ahnung, wie das dahin gekommen ist, aber es ist sicher nicht mein Geld“, sagte ich.
Inzwischen hatte man auf meinen Wunsch hin Mohammed Abdallah per Handy hinzugerufen – den ehrlichen Finder. Und siehe da – es war der vorhin noch Kinderwagen schiebende Emirati, der nun mit seiner etwa dreijährigen Tochter herbeieilte. Die Kleine habe er zwischendurch zwar glatt einmal kurz verloren, als er sich um meine Kreditkarte kümmerte, erzählte er schmunzelnd. Aber zum Glück habe einer der Wachleute das schnell geklärt und sie zu Papa zurückgebracht.
Ich sprach dem Emirati meinen herzlichen Dank aus, er schüttelte mir die Hand und erklärte freundlich, das sei doch alles völlig selbstverständlich. Er versuchte, auch die kleine Hala dazu zu überreden, mir Guten Tag zu sagen. Doch die kicherte nur und betrachtete mich neugierig.
Ich suchte auch den Wachmann Djalal, der aus Sri Lanka stammt, noch einmal bei seinem Rundgang durch die Regalreihen auf und bedankte mich dafür, dass er so aufmerksam gewesen war.
Kaum kam ich zufrieden daheim an und packte meine Einkaufstüten aus, als mein Telefon klingelte. Mariam war am anderen Ende der Leitung. „Ma’m, wir wissen es jetzt zweifelsfrei: Das Geld vorhin ist doch Ihres! Kommen Sie doch bitte und holen Sie es ab.“
Die gewitzte kleine Tochter war „schuld“!
Neugierig machte ich mich nochmals auf den Weg zum Carrefour Supermarkt. Dort wurde ich freudig wiederbegrüßt. Ich erhielt die „unrunde Summe“ ausgehändigt mit folgender Story dazu: Mohammed Abdallah hatte Hala, die Tochter, noch einmal befragt. Und da berichtete sie ihm folgendes: Während der Papa sich auf die Suche nach jemandem machte, der ihm mit meiner gefundenen Kreditkarte weiterhelfen könne, tat die Kleine gewitzt das, was sie bei den Erwachsenen abgeschaut hatte – ein paar Knöpfchen drücken … und schwupps war da Geld ‚rausgekommen! Offensichtlich hatte der Automat „gefragt“, ob die Restsumme ausgegeben werden soll – und Hala hatte „Yes“ gedrückt.
Am Ende des Tages haben also Menschen aus vier Nationen mitgeholfen, dass diese einen Moment lang achtlose, verpeilte Frau aus Deutschland ihre Siebensachen wiederbekommt. Wohlgemerkt: Ich wäre auch ohne diese Hilfe nicht auf der Stelle verhungert. Während hingegen die anderen Beteiligten fast alle aus ärmeren Ländern stammten (und selbst wenn es oft behauptet wird: auch nicht jeder Emirati ist per se „reich“!)
Ich bin mir sicher: Nicht überall auf der Welt hätte ich Kreditkarte UND Bargeld so schnell zurückbekommen! Anderswo würde sich möglicherweise jemand auf Kosten meiner Schusseligkeit einen ’schönen Tag‘ gemacht haben. Man kann jetzt fabulieren, wie das wohl an einem deutschen Geldautomaten abgelaufen wäre … Ich hoffe doch, so ähnlich wie hier.
Jedenfalls – in den Vereinigten Arabischen Emiraten kann man nach wie vor geradezu davon ausgehen, dass die vielvölker-bunten Bewohner ehrlich sind und nichts „mitgehen lassen“! Davon zeugen auch beispielsweise Caféhaustische, auf denen man oft mehrere teure Smartphones herumliegen sieht, während die Besitzer gemütlich an der Kuchentheke auswählen: Worum sollten sie sich hier auch Gedanken machen?
(Antje, Abu Dhabi)
*traditionelles islamisches Kleidungsstück, ein knöchellanges Überkleid
Wow, was für ein tolles Erlebnis. Ein wahrer Glücksfall!