Wenn Weihnachten kommt, stellt sich für Expats die Frage: Heimkehren wie Maria und Josef oder in der neuen Heimat feiern? Wir haben uns für letzteres entschieden und jedes Weihnachtsfest unserer Expat-Jahre in England verbracht. Wenn schon, denn schon, dachten wir. Wir freuten uns auf eine Christmette im schnuckeligen Dorfkirchlein und auf das knisternde Feuer im Kamin (Zugegeben, die Entscheidung fiel auch so aus, weil wir uns im ersten Jahr vor einer Reise mit einer knapp Einjährigen, dickem Babybauch und einer Winterüberquerung des Kanals fürchteten.) Damit begründeten wir unsere eigene kleine Weihnachtstradition, die noch ein paar ungeahnte Höhepunkte bereithalten würde. Hier eine kurze Zusammenfassung:
Unsere englischen Weihnachten
Jahr 1: Wir haben den klassischen Carol Service in einem wunderbar schnuckeligen Kirchlein im Nachbardorf genossen und Kind 1 gab dem versammelten Landkreis gleich eine Kostprobe seines bilingualen Wortschatzes: Kaum dass es die Krippe entdeckte, tönte ein glockenhelles Stimmchen mit «Muh» und «Bah» (engl. Mäh) durch die ganze Kirche. Papa hatte anschließend eine Stunde lang Mühe, Kind 1 daran zu hindern, dem Christkind das Stroh unterm Hintern wegzufressen, und zu guter Letzt hat es ehrfurchtsvoll auf dem Boden liegend die roten Stiefel einer der Nächststehenden abgeleckt. Die restlichen Tage des Jahres verbrachte das Kind damit, den Eltern wimmernd an den Beinen zu hängen wegen Fieber, Husten, Schnupfen. Wir fragen uns heute noch, durch welchen Bazillenhaufen die Dame mit den roten Stiefeln gestapft sein muss.
Jahr 2: Kind 1 beglückte uns zum Fest mit neuen Show-Einlagen, die ihren Höhepunkt wie schon im Jahr zuvor in der Kirche fanden. Dazu zählte: wiederholtes Küssen aller Krippenfiguren inklusive Esel und Ochse, lautes Durchzählen der Besucher in der ersten Kirchenbank (auf Englisch wohlgemerkt bis twenty-twelve) und in den stillsten Momenten fröhliches Anstimmen deutscher (!) Weihnachtslieder. (Wir wussten, warum wir lieber in der Nachbargemeinde zur Messe gingen.)
Jahr 3: Kind 1 im Rollenspiel-Fieber setzte täglich mehrere Krippenspiel-Proben an:
„Ich bin das Jesus-Baby, Du bist Maria und der Papa ist der Josef.“
Darauf die Mama: „Und dein Bruder?“
Kind 1 nach kurzem Überlegen: „Der ist die Ziege.“
Besagter Bruder übernahm dafür im Weihnachtsgottesdienst die Rolle, den Kommentar des Jahres zu liefern, als er für alle vernehmlich durchs Kirchenschiff krähte: „Mama, da sind ganz viele Kinder als Schmetterling verkleidet!“ In der Tat verkleidet man sich in England gern zu Weihnachten – aber in diesem Fall war es der Engelein Chor.
Euch allen wünsche ich schon heute fröhliche Weihnachten und viele Expat-Höhepunkte 2017! ;-)
P.S. Der Text erschien im Original in meinem Buch „Von Babys und Briten“ (Anm. d. Red.: vergriffen seit 09-2023)
Den Spruch mit den Schmetterlingen hat mein Großer an seinem zweiten Weihnachten, in einem erzkatholischen deutschen Dörfchen, genau so auch gebracht. Zum Glück nicht in der Kirche, sondern davor, mit dem sagen wir kirchenkritischen Papa im Auto, als die Engel alle gerade rein liefen.
:-) :-) :-)