Seit wir in Istanbul leben, stoßen meine Kinder in der Öffentlichkeit nicht auf Ignoranz, Skepsis oder sogar Ablehnung, wie in Deutschland. Als wir noch in Deutschland lebten, war uns die Familienfeindlichkeit im Alltag gar nicht wirklich bewusst, wir kannten es ja nicht anders. Während wir unsere beiden Töchter früher unter missbilligenden Blicken in Restaurants dazu anhalten mussten, ruhig zu sitzen, mit gedämpfter Stimme zu sprechen (Kinder, haha!) und nicht mit dem Besteck zu klirren oder gar irgendwelche Sonderwünsche durch den Raum zu plärren, werden sie hier in Istanbul von Kellnern um die Tische gejagt, durch die Luft gewirbelt und mit Süßigkeiten verwöhnt.
Kinder willkommen
Auch im größten Getümmel stehen sie hier niemandem im Weg. Geduldig und umsichtig wartet selbst der hektischste Türke, bis das Kleinkind vor ihm die Stufen an der Metrobus-Station erklommen hat und kommentiert jede Bewegungen mit „Mashallah!“ (Eine Art Ausdruck des Entzückens), „Cok güzel!“ (Wunderschön!) oder „Cok tatli!“ (So süß!).
Anfangs begegneten meine Töchter dieser Welle der Begeisterung, die ihnen überall entgegenschlug, mit großer Skepsis. Dem Zwerg mit seinen 2 Jahren war das Kneifen in die Backen, Streicheln über den Kopf und Hochgehobenwerden von Fremden zu Beginn noch sehr suspekt und sie reagierte zuweilen sogar panisch auf all die großen, fremden Hände.
Doch den richtigen Umgang mit den kinderlieben (und das ist eigentlich die Untertreibung des Jahrhunderts) Türken, hatten die beiden blonden Engel ganz schnell raus. Mit größtem Erstaunen konnten mein Mann und ich bewundern, wie schnell sich die beiden ihrem Umfeld anpassten und die Gegebenheiten zu ihrem Vorteil zu nutzen begannen.
Gewusst wie
Mittlerweile streifen die beiden mit großen Kulleraugen über Märkte, bleiben verzückt vor Erdbeeren, Armbändern, oder was ihnen sonst so gefällt stehen und flirten schamlos mit den Verkäufern. Mit Erfolg: Nach Tagesausflügen kann sich ihre Ausbeute durchaus sehen lassen und Snacks brauche ich auch nicht mehr mit mir herum zu schleppen. Wenn meine Töchter unterwegs etwas Leckeres entdecken, wickeln sie sämtliche Verkäufer so charmant um den Finger, dass diese ganz entschieden ablehnen, wenn wir ihnen für Früchte, Schokoriegel oder Ähnliches eine Kleinigkeit zustecken wollen.
Inzwischen nimmt die Schnorrer-Mentalität meiner Jüngsten fast schon groteske Züge an. Sitzen wir am Strand, dreht sie stolz im Hello-Kitty-Bikini ihre Runden und liefert im Minutentakt Chips, Nüsse, Kekse, Gummibärchen und Obst auf meinem Liegestuhl ab. Sitze ich am Gate des Istanbuler Flughafens und bin mit meinem Gepäck beschäftigt, erbeutet sie in der Zwischenzeit klammheimlich Pommes und Chicken McNuggets bei den Sitznachbarn. Dank ihrer mittlerweile im Kindergarten gewonnenen Türkischkenntnisse versetzt sie die Türken innerhalb von Sekunden in Entzücken und Euphorie.
Und wenn wir unsere Familien in Deutschland besuchen, sind meine Kinder mittlerweile ganz verdattert, dass sie in der Öffentlichkeit gerempelt, gestoßen und nicht beachtet werden. Ein Punkt der deutschen Mentalität, den wir alle ganz und gar nicht vermissen. (Sarah, Istanbul)
Genauso geht es uns auch in Spanien, wir wohnen ja noch dazu im südlichsten Teil. Man kann ja sagen was man will, und viele Dinge nerven dort auch, aber die Kinderfreundlichkeit wird ganz groß geschrieben. Das merke ich auch jedes Mal, wenn wir in Deutschland zu Besuch sind und der Zwerg entweder überhaupt nicht beachtet wird, oder wie du sagst angerempelt oder mit bösen Blicken aufgrund des Lärms bedacht wird. Das fehlt uns in Spanien sicher auch nicht. Ich bin sehr froh, dass in meiner Wahlheimat Kinder so gut ankommen.
Viele Grüße aus Andalusien und weiterhin alles Gute in Istanbul.
Ich kann mir richtig gut vorstellen, wie verzückt Einheimische auf niedliche blonde Mädchen reagieren, wenn sie auch noch türkisch sprechen! Ist ja wirklich lustig, dass schon deine Kleine das auszunutzen weiß, um Süßigkeiten und andere Schätze zu erbeuten ;-)
Was die Kinderfreundlichkeit angeht, stelle ich zwischen Hong Kong, Berlin und London wenig Unterschiede fest. Aber wie du schon richtig sagst: Solange man es noch nicht anders erlebt hat, fällt einem das gar nicht so negativ auf!
Viele Grüße von London nach Istanbul,
Uta