Expat-Leben

Kinder, Kimchi, Karriere

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Manchmal entstehen durch Zufall die tollsten Gelegenheiten. Dann zum Beispiel, wenn man eine Fachzeitschrift abonniert und sich herausstellt, dass die Herausgeberin vor 30 Jahren Expatmama in Südkorea war. Sandra Uschtrin, Verlegerin der „Federwelt“, einer Fachzeitschrift für Autorinnen und Autoren, und Mitgründerin des „Autorenwelt-Shops“, einer besonders fair arbeitenden Onlinebuchhandlung, sprach mit mir über Kinder, Kimchi und Karriere.  

Ein Leben in Südkorea

e/m: Liebe Frau Uschtrin, ich habe mich sehr gefreut, als Sie mir schrieben, dass Sie vor 30 Jahren selbst Expatmama waren und damals gerne eine Seite wie die Expatmamas abonniert hätten. Das ist ein tolles Kompliment! Vielen Dank!

Gleichzeitig hat es mich neugierig gemacht auf die Expat-Welt „damals“. Mit welchem Gefühl sind Sie nach Südkorea aufgebrochen? Hatten Sie das Land zuvor bereist?

Ich war natürlich mega aufgeregt, aber auf eine besonders angenehme Art. In Südkorea und überhaupt in Asien war ich vorher noch nie.

e/m: Da Sie Asien noch nicht kannten, fiel Ihnen die Entscheidung dann schwer, nach Südkorea zu gehen? 

Wir sind sehr gerne nach Südkorea gegangen; wir hatten uns dieses Land schon auch ausgeguckt. 1988, also zu der Zeit, als wir dort waren (Dezember 1987 bis April 1992), fanden dort zum Beispiel die Olympischen Sommerspiele statt. Die Südkoreaner*innen waren fasziniert von der Wiedervereinigung in Deutschland; das Land ist ja nach wie vor geteilt in Nord- und Südkorea. Als Frau konnte man in Südkorea problemlos alleine reisen. Die Schrift ist sehr einfach und im Handumdrehen gelernt. Man findet sich also überall leicht zurecht. 

Saudi-Arabien wäre dagegen nicht das Land meiner Träume. In einem derart frauenfeindlichen Land leben und mich andauernd fragen zu müssen, was ich darf und was nicht, stelle ich mir sehr anstrengend vor.

e/m: Wie haben Sie sich vorbereitet? Gab es Unterstützung des Arbeitgebers?

Mein Mann sollte in Südkorea als stellvertretender Institutsleiter des Goethe-Instituts Seoul arbeiten. Das Goethe-Institut hat uns damals wunderbar unterstützt. Allein der Umzug: Wir mussten kein Stück selbst verpacken, das machte alles eine Umzugsfirma. 

Außerdem durften wir auf Kosten des Goethe-Instituts direkt vor der Ausreise für sechs Wochen nach Bad Honnef zur Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE) [Die DSE ist nach mehreren Fusionen 2011 in der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ aufgegangen, Anmerkung d. Red]. Dort erhielten wir von einem sehr netten koreanischen Studenten Koreanisch-Unterricht.

Koreanisch-Unterricht in Bad Honnef

Außerdem war uns eine Kinderfrau an die Seite gestellt worden. Immer wenn wir Unterricht hatten, kümmerte sie sich um unser Kind, das damals drei, vier Monate alt war.

e/m: Was war Ihr erster Eindruck bei der Ankunftin Seoul? Was waren die größten Herausforderungen?

Wir kamen kurz vor Weihnachten auf dem Kimpo-Airport an. Um diese Jahreszeit ist es in Südkorea so kalt und unwirtlich wie bei uns. Bis wir ein Haus hatten (das war damals Pflicht; eine kleine Wohnung hätten wir nicht mieten dürfen, denn wir sollten Deutschland repräsentieren), wohnten wir in einem luxuriösen internationalen Hotel. Das war wie eine Insel, wir hätten genauso in Berlin oder in Nairobi sein können. Also sind wir abends oft in ein kleines, typisch koreanisches Restaurant gegangen. Schon beim ersten Besuch haben sich der Besitzer und die Besitzerin unser Kind geschnappt, es mit in die Küche genommen und überall herumgetragen. Ähnlich wie in Italien. Die Koreaner sind sehr kinderlieb. Das zu erleben, war eine große Freude.

In Deutschland werden Kinder traditionellerweise ja eher als Quälgeister wahrgenommen, die es kleinzuhalten gilt, und entsprechend behandelt. Daher sind viele Schulen schlecht, die Schulklassen groß und die Angebote für Jugendliche miserabel. Das macht das Kinderhaben anstrengend. Dabei sind Kinder Zukunft pur und damit der allergrößte Schatz einer Gesellschaft. 

Größere Herausforderungen zu Beginn oder überhaupt während dieser Zeit gab es keine. Wir hatten alles, was wir brauchten: uns, die Kinder – denn bald kam noch ein zweites –, Gesundheit, genügend Geld, spannende Aufgaben und sogar eine Haushälterin: die wunderbare, von uns allen geliebte Frau Park, damals sechzig. Sie war für die Kinder wie eine Großmutter. Wenn eines der beiden schrie und mein Mann und ich gerade beim Essen waren, nahm sie das Kind auf den Rücken und spazierte mit ihm durch unser Viertel in Hannam-dong. „Die armen alleinerziehenden Eltern in Deutschland!“, dachten wir dann.

e/m: Wie haben Sie Kontakte geknüpft? 

Ich konnte ja ein wenig Koreanisch. Um auf dem Markt einzukaufen oder mit dem Bus oder einem Taxi zu fahren, reichte es. Mit Frau Park konnte ich Englisch reden. Außerdem gab es in Seoul – wie in allen Metropolen der Welt – eine deutsche Community. In einer Kinderspielgruppe trafen sich viele Frauen, die kleine Kinder hatten. Die Männer waren in der Regel diejenigen, die einer bezahlten Arbeit nachgingen. Die Frauen widmeten sich dem Projekt „Kinder“. Es war ein großes Glück, für viereinhalb Jahre so leben zu dürfen.

e/m: Gab es etwas, woran Sie sich in Korea nicht leicht gewöhnen konnten?

Ich glaube, alle Menschen, die eine Weile nicht in ihrer Heimat sind, bekommen irgendwann einen kleinen Auslandskoller. Dann fangen manche Sachen plötzlich an zu nerven: die damals zumindest fehlenden Milchprodukte; die gesalzene Butter; das fehlende Schwarzbrot; die doofen Kindskopf großen und runden Birnen, auf die man in Korea mächtig stolz ist, keine Ahnung warum, mich erinnerten sie von der Konsistenz her eher an Kohlrabi; die vielen geschlossenen Strände, weil ja ein Nordkoreaner auftauchen könnte, die vielen schlecht und verrückt fahrenden Autofahrer … Das Übliche eben. 

Da hilft es sehr, einen Partner zu haben, den man liebt, und mit dem man gemeinsam lachen kann. 

So einfach haben es die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, nicht. Ich frage mich manchmal, worüber sie sich in Deutschland ärgern, und tippe auf unsere Bürokratie und das oft fade und lieblos servierte Essen.

Ach ja, und apropos Essen: Das ist in Korea ausgezeichnet. Die vielen Schüsselchen mit all den Leckereien, die Kimchi-Varianten, die Algensuppe, der getrocknete, geschredderte Fisch als Snack zu einem Bier – njammi! Jammerschade, dass Südkorea 8.500 Kilometer von uns entfernt ist!

e/m: Wie hat sich Südkorea für Expats gewandelt in den letzten Jahrzehnten? 

Diese Frage kann ich leider nicht beantworten, weil ich seither nicht wieder in Südkorea war. Mein Mann und unsere beiden Kinder waren aber vor zwei Jahren zum ersten Mal wieder dort und sehr begeistert. Sie meinten, man merke, dass Südkorea eine funktionierende Demokratie sei. 

Allerdings habe ich letzten Juni auf Netflix K-Dramen für mich entdeckt – witzigerweise durch einen Artikel im „selfpublisher“, der neben der „Federwelt“ ebenfalls in meinem Verlag erscheint. „K“ steht für „Korea“. Die Serien erscheinen mit deutschen Untertiteln, und ich liebe es, endlich wieder Koreanisch zu hören! Es ist der Hammer zu sehen, wie sich dieses Land in den letzten dreißig Jahren entwickelt hat. Die Koreaner*innen sind offenbar noch immer so technikbegeistert und zukunftsgewandt. Sie können stolz auf sich sein! 

e/m: Wie haben Sie die Rückkehr nach Deutschland erlebt? Kannten Sie andere Familien, die ebenfalls aus dem Ausland zurückkamen?

Die erste Zeit war emotional sehr anstrengend. Beide Kinder hatten großes Heimweh, ihnen fehlte Frau Park. Der jüngere weinte wochenlang jeden Abend und malte Bilder mit Flugzeugen („Ich will zu meiner Parki!“); der ältere war aggressiv gegenüber anderen Kindern im Kindergarten. Jeder verarbeitet seinen Kummer anders. Das war für uns alle nicht leicht.

In meinem Umfeld war ich eher die Exotin. Man gewöhnt es sich schnell ab, jeden zweiten Satz mit „In Korea …“ zu beginnen.

Typisch koreanisch: Babyfoto in Tracht

e/m: Welche Erfahrung aus Ihrer Zeit im Ausland hat Sie rückblickend besonders geprägt? Welchen Rat würden Sie Ihrem jüngeren Ich von damals mitgeben?

Mein Rat an mein jüngeres Ich: Mach es genauso wieder! 

Was gibt es Besseres, als eine Zeit lang im Ausland zu leben? Das sollten alle Menschen tun dürfen. Mal raus aus dem Land, in dem sie wohnen, raus aus der gewohnten Umgebung. Durch die Welt bummeln, woanders leben, was Neues machen, andere Kulturen entdecken. Klar, dadurch kann es zu Brüchen in der sogenannten Erwerbsbiografie kommen. Doch genau diese Brüche machen das Leben bunt.

e/m: Wie hat die Familienzeit im Ausland Ihre berufliche Laufbahn beeinflusst?

In meinem Fall gar nicht. Ich habe erst danach meinen Verlag gegründet, und es war gut, dass die Kinder da schon etwas älter waren. 

e/m: Was haben Sie vor Ihrer Ausreise bzw. der Geburt Ihres ersten Sohnes beruflich gemacht?

Bei der Ausreise war ich 27, hatte fertig studiert und ein paar Praktika gemacht: beim Bayerischen Rundfunk, der Süddeutschen Zeitung und bei einem kleinen Verlag, wo ich die erste Ausgabe des »Handbuchs für Autoren« herausgab. Daran konnte ich nach meiner Rückkehr anknüpfen.

Manche Dinge fügen sich – darauf muss man auch vertrauen.

e/m: Was würden Sie Frauen, die heute ihre Partner ins Ausland begleiten, in beruflicher Hinsicht raten wollen?

Macht das Beste draus! Genießt die Zeit und das Leben! Macht das, worauf ihr Lust habt! Und das gilt für immer, auch wenn ihr eure Partner oder Partnerinnen gerade nicht irgendwohin begleitet. 

e/m: Liebe Frau Uschtrin, ich danke Ihnen sehr für die Zeit, die Sie sich genommen haben.

Sandra Uschtrin, 1960 in Hamburg geboren, lebt in Inning am Ammersee. In ihrem Verlag (Uschtrin Verlag) erscheinen die einzigen deutschsprachigen Autorenfachzeitschriften: die „Federwelt“ und „der selfpublisher“ sowie Ratgeber für Autor*innen. Gemeinsam mit Wilhelm Uschtrin (1. Kind) und Angelika Fuchs gründete sie die Internetplattform „Autorenwelt“ und den Autorenwelt-Shop, eine besonders autorenfreundlich agierende Onlinebuchhandlung, die Autor*innen an ihren Umsätzen finanziell beteiligt. 2019 wurde Sandra Uschtrin zur „Bücherfrau des Jahres“ gewählt.

Mehr Informationen zum Leben in Südkorea findest du auch auf dem Expatmamas-Länderboard auf Pinterest.

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