Gestern war ein schöner Tag! Gestern war Michael wieder da! Als ich nach Hause kam saß er hinterm Empfangstresen, als wäre er nie weg gewesen. Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen. Aber das geht natürlich nicht. Ob er mein Strahlen trotz der Maske sehen konnte?
Michael ist die Seele des Wohnturms. Als wir bei unserer Ankunft das erste Mal die Lobby betraten, hat er uns wie Freunde willkommen geheißen und von da an wusste er meinen Namen. „Miss Jonna“ nennt er mich, seit dem ersten Tag.
Er kennt alle und jeden. Mit Namen. Mit Apartment-Nummer. Einfach, weil es ihm wichtig ist. Keiner der anderen Concierges kann ihm da das Wasser reichen. Er ist interessiert und unterhält sich gern. Aber auf angenehme Weise. Diskret und nicht schwatzhaft.
Für all die Hunde im Haus hat er ein Leckerli und als Kind 2 einen Dogsitter-Job suchte, hat er ihn dank Michael gefunden.
Michaels Schicht war verlässlich Montags bis Freitags von 3 bis 11 Uhr abends. Ich habe mich mit ihm immer behütet gefühlt. Er war da, als im Dezember Kind 1 von der Ambulanz abgeholt wurde. „I pray for you Miss Jonna,“ hat er mir hinterher gerufen.
Als ich übernächtigt am nächsten Morgen durch die Lobby schlich, sah er mich an, stand auf und kam zu mir: „I think you need a hug.“ Ich habe wie ein Schlosshund geheult, als er mich gedrückt hat. (Und war so froh, dass er ausnahmsweise mal die Frühschicht hatte.)
Und dann kam Corona und Michael war weg.
Wir haben uns schrecklich Sorgen gemacht. Seit gestern kenne ich seine Geschichte. Er ist Diabetiker und hat ein teilamputiertes Bein. Mir war schon aufgefallen, dass er nicht gut lief. Doch nicht Vorsicht hat ihn daheim bleiben lassen, sondern Entzündungen, sodass er seine Prothese nicht tragen konnte.
Jetzt ist er wieder da. 3 Tage in der Woche für den Anfang. Das Lachen hinter der Maske und die funkelnden Äuglein hinter seinen dicken Brillengläsern verborgen. Und jeder, der ihn sieht, freut sich!
Unser Herbergsvater!