Expat-Leben

Schwanger im Ausland – oder: „Schatz, ich skype mal eben mit der Hebamme“

Expat-Leben: Ein Baby im Ausland - www.expatmamas.de

Wir waren noch keine zwölf Wochen in unserer neuen Heimat England, als wir mit unserer sieben Monate alten Tochter das örtliche Krankenhaus kennen lernen durften. Nach ein paar Stunden auf der Kinderstation stand für mich fest: Baby Nummer 2 muss bis zu unserer Rückkehr nach Deutschland warten. Punkt. Solange würde das Töchterlein eben ein Einzelkind bleiben. Was ich aber nicht wusste: Baby 2 war schon unterwegs. Ätsch! Bei seiner Entdeckung ein paar Wochen später hätte ich Gott weiß was dafür gegeben, mich nach Hause zu beamen in die Praxis meiner Frauenärztin und sofort meine Hebamme zu buchen. Obwohl ich schon eine erfahrene Zweit-Schwangere war, fühlte ich mich im englischen Gesundheitssystem verloren und allein gelassen und (trotz Englischkenntnissen) sprachlich erstmal überfordert.

Vorsorge the english way

In England geht man – egal ob schwanger, asthmatisch oder schwer krank – in die Surgery, das örtliche Gesundheitszentrum. Dort praktizieren Allgemeinärzte, die die Patienten bei Bedarf an Fachärzte oder Krankenhäuser überweisen. Und in der Surgery übernimmt auch eine Midwife, eine Hebamme, die Schwangeren-Vorsorge. Soweit, so gut. Oder auch nicht: meine Psyche verlangte nach Ultraschall, Mutterpass, regelmäßigem Blutabnehmen und einem Frauenarzt! Als Expat mit Privatversicherung gelang es mir immerhin, zu einem Gynäkologen überwiesen zu werden, aber selbst dort ist die Vorsorge im Vergleich zu Deutschland gefühlt sehr löchrig. Mag sein, dass wir in Deutschland überversorgt sind, und man die Hälfte der Leistungen tatsächlich getrost streichen kann (CTG hatte ich in UK vor der Entbindung kein einziges), aber wenn man Dinge aus Gewohnheit erwartet und sie nicht eintreffen, ist das extrem verunsichernd. Gerne hätte ich mich ab und zu bei jemandem vom Fach auf Deutsch rückversichert, auch wenn man in neun Monaten viele Vokabeln lernen kann.

Eine Hebamme per Skype

Damals in den englischen Midlands dachte ich natürlich, ich wäre die Einzige mit solchen Bedürfnissen. Aber eine Hebamme aus Berlin weiß, dass es nicht so ist. Sabine Kroh hat darum einen virtuellen Hebammen-Service gegründet, der bietet, was ich gerne gehabt hätte, nämlich Beratung weltweit via Telefon oder Skype für alle, denen die Hebammenbetreuung vor Ort fehlt oder die sich in ihrer Muttersprache rückversichern wollen. Ich habe mit Sabine – na klar – geskypt und mit ihr über ihr Start-up Call-a-midwife gesprochen.

Ein Interview über Mama-Nöte im Ausland

e/m: Liebe Sabine, die Idee von Call-a-midwife hat mich spontan angesprochen. Wie bist du auf die Idee gekommen, Call-a-midwife zu gründen?

Eine Hebamme per Skype - www.expatmamas.de - Call-a-midwife BerlinSabine: Ich arbeite als freiberufliche Hebamme in Berlin und in den letzten Jahren wird Berlin immer internationaler. Ich berate und betreue immer mehr Paare aus den verschiedensten Ländern, die hier in Berlin das erste Mal mit unserem Hebammensystem in Kontakt kommen und häufig auch um Hilfe und Beratung für ihre Freunde und Familien fragen. Leider gibt es außerhalb Deutschlands kein vergleichbar gutes Betreuungssystem durch Hebammen. Mit Call-a-midwife wollen wir Frauen, die diesen Service nicht vor Ort haben, die Möglichkeit geben, ihn online nutzen zu können. So kam es in der Vergangenheit zu Beratungen per Skype in Kiew, Kapstadt, New York und Budapest und daraus entstand die Idee für unseren Service.

Call-a-midwife richtet sich deswegen auch nicht nur an Deutsche im Ausland. Wir sind ein mehrsprachiges Hebammen-Team, das rund um Schwangerschaft, Geburtsvorbereitung und natürlich zu allen Themen des Wochenbettes und der ersten Zeit mit dem Baby berät. Und das tun wir direkt, persönlich, zu jeder Zeit und an jedem Ort.

e/m: Hast du selbst schon im Ausland praktiziert?

Sabine: Ich selbst habe schon in Tansania und in England gearbeitet und konnte so auch in andere Systeme des Hebammenberufes schauen und fand diesen Blick immer bereichernd und spannend. Meine Aufgabe bei Call-a-midwife wird es sein, Hebammen aus unterschiedlichen Kulturen auf dem Portal zu vereinen, um nicht nur fachliche Kompetenzen zu ergänzen, sondern auch die kulturellen und auch religiösen Unterschiede in einer Beratung besser verstehen zu können.

e/m: Mit welchen Fragen und Problemen konntest du Müttern schon helfen?

Sabine: Die Beratungswünsche sind sehr unterschiedlich und alle Fragen, Gespräche und Daten werden bei uns streng vertraulich gehandhabt. Grundsätzlich kann ich aber sagen, dass das Spektrum der Fragen sehr unterschiedlich ist und häufig davon kommt, dass die Frauen und Familien im Internet keine direkte und schnelle Antwort von einem Experten bekommen und durch „Dr. Google“ eher noch mehr verunsichert werden.
Bislang gab es Fragen zu normalen Schwangerschaftsbeschwerden wie Rücken- und Beckenschmerzen, Übelkeit, vorzeitige Wehen, Kindsbewegungen, Vorbereitung auf die Geburt und danach zum Stillen, Milchstau, Beikost, Schlafen, Baby Blues…

e/m: Wie oft kontaktieren dich die Mütter? In welchem Abstand? Wo leben die meisten von ihnen?Eine Hebamme per Skype - www.expatmamas.de - Call-a-midwife Berlin Interview mit Sabine Kroh

Sabine: Manche Frauen und Familien kontaktieren uns in der Schwangerschaft ganz regelmäßig oder möchten gern einen Geburtsvorbereitungskurs in mehreren Teilen online buchen.
Anfragen bekommen wir bisher vor allem aus Europa und den USA, wo viele Deutsche arbeiten und leben und dort ihre Kinder bekommen und das deutsche Hebammensystem dann vermissen.

e/m: In den USA sind Doulas weit verbreitet. Sind sie nicht unseren Hebammen ähnlich?

Sabine: Nein, eine Doula hat keine Möglichkeiten, medizinische Gesichtspunkte fachlich zu bewerten, da sie ja eine Doula ist, was übersetzt „Dienerin“ bedeutet. Sie kümmert sich um die Unterstützung und das Wohlergehen der Frau, kann aber nicht bewerten, wann Risiken entstehen oder da sind und was dann fachlich richtig ist. Man versucht gerade in den USA, die Hebammen durch Doulas zu ersetzen. Es macht aber immer Sinn, bei Beschwerden und Fragen, die die Schwangerschaft, die Geburt und die Vorbereitung darauf oder das Stillen betreffen, eine Hebamme zu konsultieren. Hebammen sind in den USA eher unterrepräsentiert und sehr teuer, deswegen nehmen viele Frauen eine Doula, was ich grundsätzlich auch immer gut finde, aber die Frauen sollten den Unterschied wissen.

e/m: Was kann Call-a-midwife nicht leisten?

Sabine: Ein Chat per Skype hat natürlich auch Grenzen wie zum Beispiel eine Begleitung einer Geburt am Bildschirm und natürlich alle Beratungen, bei denen es um Messen und Berühren geht.

e/m: Wie schnell kann man bei Call-a-midwife einen Skype-Termin bekommen?

Eine Hebamme per Skye - www.expatmamas.de - Call-a-midwife Berlin Hebammen-Team von Sabine Kroh
Das Team von Sabine Kroh (hinten Mitte)

Sabine: Da wir mehrere Hebammen sind, geht eine Terminvereinbarung schnell, auch innerhalb von 24 Stunden, wobei hier auch die Zeitverschiebung eine Rolle spielen kann. Man kann uns aber auch sehr schnell per Mail, SMS oder Facebook erreichen. Grundsätzlich sind wir aber kein Notfalltelefon und verweisen in solchen Fällen an die zuständigen Krankenhäuser.

e/m: Welche Daten brauchst du von den Müttern vorab? Die wenigsten Mamas im Ausland werden so etwas wie einen Mutterpass haben.

Sabine: Nach einer Bestätigungsmail des Terminwunsches der Frau bekommt diese einen Fragenbogen zu allen relevanten Themen, die wir als Hebammen vorher wissen sollten, um uns auf die Chats auch vorbereiten zu können, und dann die Zeit im Chat in der Beratung zu den eigentlichen Fragen gut nutzen zu können.

e/m: Legst du eine klassische Patientenkartei an?

Sabine: Wir dokumentieren natürlich die wichtigsten Dinge und archivieren diese, auch, um bei einer folgenden Beratung gut vorbereitet zu sein. Dabei ist die Sicherheit der Daten und Vertraulichkeit der Informationen für uns selbstverständlich.

e/m: Wie kann Call-a-midwife die Hebamme vor Ort ergänzen?

Sabine: Da es leider in den meisten Ländern eine Hebammenversorgung, wie wir sie kennen, nicht gibt oder nur sehr marginär, ist unser Service für viele Mütter im Ausland die einzige Informationsquelle neben dem Arzt. Aber nicht für alle Fragen muss, will oder kann man gleich einen Doktor konsultieren. Es wäre natürlich wünschenswert, dass es weltweit eine ähnlich gute Hebammenversorgung gibt wie bei uns. Und auch dafür möchten wir uns einsetzen. Wenn Call-a-midwife gut angenommen wird, dann planen wir eine Zusammenarbeit mit Nicht-Regierungsorganisationen (ich selbst war schon für Ärzte ohne Grenzen im Einsatz). Gerne möchten wir sie mit den Erlösen aus den Chats unterstützen, um zum Beispiel die Ausbildung der Hebammen weltweit zu verbessern. Dieser Teil von Call-a-midwife ist uns sehr wichtig und wir hoffen sehr, dass sich das umsetzen lässt.

e/m: Wie soll der Service von Call-a-midwife bis zum Ende des Jahres aussehen?

Sabine: Es gibt noch viele Dinge zu tun, aber in einem Jahr möchten wir gern einen größeren Pool an Hebammen integrieren können, und damit noch mehr Sprachen anbieten und dann auch die ersten Kooperationspartner, wie Ärzte und Psychologen, mit an Bord nehmen.

e/m: Liebe Sabine, vielen Dank für das Gespräch.

Hier geht es zur Website von Call-a-midwife und wenn ihr Fragen habt, könnt ihr Sabine kontaktieren unter info@call-a-midwife.com.

Zum Unterschied von Doulas und Hebammen lest ihr beispielsweise in diesem Artikel der Apotheken-Umschau.

Autor

Jonna Struwe, freiberufliche Autorin, Bloggerin und Gründerin von Expatmamas.de, dem Portal für Familien im Ausland

1 Kommentar Neues Kommentar hinzufügen

  1. Susanne sagt:

    Genau das wäre es gewesen, als ich mit unserem zweiten Kind schwanger war, auf unserem ersten Posten. Hätte es damals dieses Angebot gegeben, hätte ich mich an Sabine Kroh gewandt.
    Vor über 25 Jahren in Honduras bekam ich zu Beginn meiner Schwangerschaft von dem dortigen Frauenarzt ein Rezept über ein mir unbekanntes Medikament. Vorsichtshalber wollte ich mich bei meinen Gynäkologen in Bonn rückversichern. Als ich ihn endlich ans Telefon bekam, meinte er nur: „Nehmen Sie das bloß nicht“!
    Total verunsichert ging ich in den nächsten 5 Monaten überhaupt nicht mehr zum Arzt, nahm nicht ein Medikament und vertraute auf meine Gesundheit und die Natur.
    Wir hatten Glück, unsere Tochter kam gesund und munter (in Deutschland) auf die Welt.
    Wie hilfreich wäre es gewesen, hätte ich mit einer Hebamme in Deutschland meine Sorgen teilen und mich beraten lassen können!!

    Sehr gut, dass „expatmamas“ auf dieses Angebot aufmerksam macht. Und das Interview zeigt, wie professionell das Hebammenteam aufgestellt ist.

    Susanne Reichhardt,
    Autorin des Ratgebers „Gemeinsam ins Ausland uns zurück“

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