Das zweite Interview der neuen Serie „Zurück aus…“ habe ich mit Chrystelle geführt, die uns vor nicht allzu langer Zeit noch einen wunderbaren Glückskeks aus London geschickt hatte. Jetzt ist sie wieder unter Schwaben zu Hause und kann manchmal nur den Kopf schütteln über die Themen, die hier die Welt bewegen.
Liebe Chrystelle, wo und wie lange hast Du im Ausland gelebt?
Wir haben drei Jahre in London gelebt und sind vor vier Monaten zurück gekommen.
War der Umzug nach Deutschland ein Neuanfang für euch oder mehr eine Rückkehr in ein bereits bekanntes Leben?
Der Umzug nach Deutschland war gleichzeitig ein Neuanfang und eine Rückkehr in ein bereits bekanntes Leben.
Neuanfang bedeutet für mich, sich wieder an ein anderes Leben zu gewöhnen. Auch wenn es nur 3 Jahre im Ausland waren, hatten wir uns an das neue Leben dort gewöhnt, hatten neue Freundschaften geknüpft und wir hatten uns sehr wohl gefühlt mit dem Leben als „Touristen“ mit Entdeckungsreisen am Wochenende, Besuchen von Freunden und Familie. Das Expat-Paket von der Firma war außerdem extrem gut, d.h. wir wurden sehr gut betreut für die Haus-/Schul-Suche, haben in sehr guten Verhältnissen gewohnt und die Schule für die Kinder war sehr gut.
Hier in Deutschland bedeutet es wieder, alles alleine zu machen (Haus/Wohnung suchen, Schule, etc.) und sich wieder an das Land gewöhnen.
Rückkehr bedeutet für mich, dass ich wieder die Freunde sehen kann, die ich davor hatte, genauso die Kinder; die Sprache ist kein Hindernis mehr, alles ist irgendwie bekannt (Behörde, Abläufe für den Alltag, Schulsystem etc.).
Warum seid ihr zurückgekommen?
Wir sind zurückgekommen, weil der Arbeitgeber meines Mannes eine neue Aufgabe für ihn in Deutschland hatte.
Was gefällt Dir an der deutschen Lebensart?
Was mir gefällt, ist die Verlässlichkeit, die Ehrlichkeit, die Leute sind nicht schüchtern (Kontakte zu knüpfen fällt leichter, z.B. mit Nachbarn oder anderen Eltern in der Schule) und die Selbstständigkeit bei der Erziehung der Kinder genieße ich sehr (z.B. können hier Kinder alleine in die Schule oder Brot kaufen gehen).
Woran wirst Du Dich vielleicht nie (wieder) gewöhnen?
Ich fürchte, ich gewöhne mich nie wieder an den Stress, den die Leute hier haben im Vergleich zu England, wo die Leute eher lässig, geduldig sind; an den Mangel an Höflichkeit/Geduld; an die fehlende Einfühlsamkeit bzw. Verständnis für den anderen und an den Mangel an Weltoffenheit.
Außerdem sprechen die Leute hier viel über die Probleme der Stadt wie Feinstaub, Umweltschutz, Mülltrennung, Kehrwoche, sodass ich manchmal das Gefühl habe, ich bin in ein Dorf zurückgekommen.
Wie hat sich deine Familie wieder eingelebt?
Sehr unterschiedlich. Mein Sohn (10) fühlt ich sehr wohl, weil er hier selbstständiger ist. Er hat sein „altes“ Leben wieder mit seinen Freunden (obwohl er jetzt nicht mehr in die Grundschule sondern aufs Gymnasium geht) und er kommt mit der deutschen Mentalität besser zurecht als im Ausland. Allerdings muss er die deutsche Sprache etwas intensiver lernen, dafür ist er in Englisch zweisprachig.
Meine Tochter (5) kämpft mehr, weil sie ihre Freundinnen vermisst, sie tut sich schwerer mit der deutschen Sprache (weil ich mit ihr immer schon Französisch gesprochen habe). Für sie war das gewohnte Leben in England und nicht in Deutschland.
Für meinen Mann (Deutscher) ist es etwas schwierig zurückzukehren, weil er das Leben im Ausland sehr genossen hat (Arbeit, Mentalität, Lebensart) und der Anfang ist etwas chaotisch. Außerdem merkt er, dass es für die Familie eine große Herausforderung war wegen der Arbeit umzuziehen. Das ist für ihn im Moment noch eine Belastung. Er muss außerdem in seiner neuen Arbeit wieder neu positionieren.
Ich selbst (Französin) muss mich wieder an das Leben hier gewöhnen. Der Anfang ist arbeitsintensiver und bedeutet ich muss die Kinder mehr unterstützen und motivieren, damit sie sich wieder wohl fühlen können.
Was vermisst Du am Meisten?
Ich vermisse am meisten die Höflichkeit, Geduld, Einfühlsamkeit der Engländer.
Wie geht es Dir jetzt? Welche Pläne hast Du für Deine Zukunft?
Wir sind noch in der Phase der Wiedereingewöhnung, leben noch in einem möblierten Haus, bis der Umbau des neuen Hauses fertig ist. Das meiste unseres Hab und Guts ist noch eingelagert. Aber wir planen nicht mehr ins Ausland zu gehen, da es doch sehr stressig ist für die ganze Familie und die Rückkehr schwieriger als gedacht war (Arbeitsaufwand, sich an das Leben in Deutschland wieder gewöhnen, neue Schule für die Kinder bzw. neues Schulsystem).
Würdest Du etwas anders machen, wenn Du die Uhr zu einem Zeitpunkt vor dem Umzug zurückdrehen könntest?
Nein. Ich würde wieder die Erfahrung machen wollen, in England zu wohnen. Das war für die ganze Familie eine Bereicherung und ein tolles Erlebnis. Wir haben alle davon profitiert.
Liebe Chrystelle, vielen Dank für das Gespräch!
Mehr zum Thema Rückkehr nach Deutschland findest du hier: Expatmamas-Wissen: R – Rückkehr und Reverse Culture Shock
Liebe Jonna, liebe Chrystelle,
lieben Dank für die immer interessanten Berichte. Ich bin vor 2 Jahren von einem 3 jährigem Aufenthalt aus Chattanooga, Tennessee ins Schwabenland nach Stuttgart zurück gekehrt. Dachte schon immer es wäre nett mal so ein Treffen mit Rückkehrern zu starten, sein altes zu Hause neu entdecken z.B. In einem neuen Café oder Restaurant. Also wenn Du Chrystelle oder sonst aus der Region Stuttgart jemand Lust hat würde ich mich sehr freuen. Liebe Grüße aus Stuttgart
Ariana
Gut zu wissen, daß Ihr Euch so schnell wieder einleben konntet – wahrscheinlich werden wir das alles ja auch bald machen müssen… Weiterhin alles Gute!!! Xxx