Atlanta Tales Interview: Zurück aus ...

Zurück aus … Atlanta

Zurück aus Atlanta - www.expatmamas.de/blog/ - #rückkehr #expatmamas

Der Stuttgarter Alltag hat uns wieder. Seit sechs Wochen sind wir daheim, seit Montag gehen die Kinder in die Schule und ich sitze am Schreibtisch mit Blick auf den alten Apfelbaum in Nachbars Garten. Und wie ist das so?

Leben unterm Fernsehturm

Wo fängt man an, von der Rückkehr zu erzählen? Meine Eindrücke der ersten 48 Stunden hatte ich spontan verbloggt, dann kam das große Räumen und Einrichten im wörtlichen und übertragenen Sinn und damit einher ging tiefe Stille auf dem Blog.

Also beginne ich einfach damit, meine Fragen, die ich sonst immer anderen Expatmamas stelle, einmal selbst zu beantworten.

Ein Rückkehr-Interview mit mir selbst

War der Umzug nach Deutschland ein Neuanfang für euch oder mehr eine Rückkehr in ein bereits bekanntes Leben?

Definitiv eine Rückkehr. Ich bin schon viel umgezogen, aber nie an denselben Ort, in dasselbe Haus zurückgekehrt. Die Kinder sind wieder in ihren Klassen und manchmal muss ich kurz innehalten: War ich wirklich weg? Es fühlt sich schon nach sechs Wochen wieder so vertraut und routiniert an. 

Nur für den Mann ist es keine Rückkehr, er hat noch ein bis zwei Jahre in Atlanta vor sich. Also ist doch nicht alles 1:1 wie zuvor. Und so ganz ist deswegen auch das Expatleben noch nicht abgeschlossen. 

Warum seid ihr zurückgekommen? 

Für Kind 1 stand der Wechsel in die Oberstufe an. Für sie steht fest, dass sie in Deutschland studieren will, mit einem deutschen Schulabschluss hat sie es dort im Zweifel leichter mit der Zulassung. (Beim IB (International Baccalaureate) muss man höllisch auf die richtige Fächerwahl aufpassen.)

Für uns stellte sich also die schulische Gretchenfrage: Entweder bleiben bis zum Schulabschluss (also Klasse 11 und 12 in den USA und damit das IB) oder Rückkehr nächstes Jahr (dann 11. Klasse am Gymnasium wiederholen oder in Deutschland teuer das IB beenden) oder eben jetzt zurückkehren.

Corona hat uns dann ein bisschen die Entscheidung abgenommen. Die Aussicht, das neue Schuljahr in den USA wieder virtuell zu beginnen und die soziale Isolation der Kinder auf unbestimmte Zeit fortsetzen zu müssen, hat den Ausschlag gegeben. Akademisch hat die Online-Schule zwar wunderbar funktioniert, aber die Kinder hatten keinen Anschluss. Sie wären weiter nur mit uns Eltern zusammen gewesen, hätten hauptsächlich deutsch gesprochen und kaum etwas vom Land sehen können. Kurz: alles, was das Expatleben bereichernd macht, hätte auf absehbare Zeit kaum stattgefunden.

Freut ihr euch, zurück zu sein?

Sicher, in vielerlei Hinsicht. Familie, Freunde, das Haus, der Garten – alles, was wir vermisst haben. Trotzdem war es traurig, das Leben in Atlanta hinter uns zu lassen und es wird uns schwerfallen, als Familie getrennt zu sein.

Was gefällt dir hier, an der deutschen Lebensart? 

Ich mag die Bürgersteige in Wohngebieten hier, öffentliche Freibäder und schlagende Turmuhren. 

Ich hänge gerne draußen Wäsche auf und freue mich über die Eco-Einstellung an Wasch- und Spülmaschine. 

Ich liebe Bäckereien und italienische Eisdielen, Straßencafés, Drogerien und Änderungsschneidereien an jeder Ecke (oder fast jeder). Und ich schätze Kellner, die einem nicht nach dem letzten Bissen sofort den Teller wegziehen.

Woran wirst du dich vielleicht nie (wieder) gewöhnen?

Im Moment habe ich das Gefühl, mich nie an die silbernen Folienstreifen gewöhnen zu können, die der Nachbar in seinen Apfelbaum gehängt hat. Wenn die Sonne scheint, hab’ ich Lichtreflexe in der Küche, die jede Diskokugel matt erscheinen lassen.

Und in Corona-Deutschland kann ich mich nicht an Maskenträger gewöhnen, die sich das Ding um’s Kinn schnallen (das war aber auch in den USA so).

Ganz grundsätzlich stößt mir hier das neue Gesicht der Geiz-ist-geil-Mentalität auf: sich alles schenken lassen zu wollen. „Wofür bezahlen, das gibt es doch sicher auch irgendwo kostenlos?“, scheint das neue Credo zu sein. In den USA ist die Bereitschaft höher, Dienstleistungen dafür anzuerkennen, was sie sind: geleistete Dienste. Und dafür wird bezahlt (wenn auch nicht üppig).

Was vermisst du am Meisten?

Lächelnde Gesichter. Selbst im Schweizer Hotel wurden wir mit einem sehr ernsten „Sie-Müssen-Hier-Aber-Keine-Maske-Tragen“ begrüßt. Ein freundliches Hallo hätte mir gereicht.

Die Amerikaner übertreiben natürlich schrecklich, wenn sie einem selbst in der Notaufnahme ein „Thank-you-for-choosing-us“ entgegenstrahlen. Aber unser Concierge Michael und sein „How-are-you-today-Miss-Jonna“ fehlt mir sehr. 

Und ich vermisse die Seen vor der Haustür. Es wäre schön, hier so einfach das SUP zu Wasser zu lassen.

Würdest du etwas anders machen, wenn du die Uhr zu einem Zeitpunkt vor dem Umzug zurückdrehen könntest?

Ich bin ja inzwischen Umzugsprofi und das hat alles ziemlich gut geklappt. Dieses Mal haben wir uns einige Vakuum-Taschen gekauft, um Volumen auf dem Rückweg zu reduzieren, damit noch ein paar Neuanschaffungen Platz hatten. Hat sich gelohnt.

Wie geht es dir jetzt? Welche Pläne hast du für deine Zukunft?

Aus verschiedenen Gründen fremdle ich gerade ein wenig mit meiner Arbeit. Sicher ist ein Teil davon dem immer wieder Kräfte zehrenden Übergang geschuldet. Soweit also normal. 

Ich versuche gerade herauszufinden, was sonst noch hinter der kleinen Sinnkrise steckt, aber dazu mussten erst einmal die drängenden To dos des Umzugs bewältigt sein. „Gut Ding’ will Weile haben“; es fällt mir schwer, mir die Muße zuzugestehen in einem Business, wo Sichtbarkeit kurzfristig fast alles und Content so wenig zu bedeuten scheint.

So sieht es also gerade aus unterm Fernsehturm, viele eingespielte Routinen, geschätzte Alltagsdinge und gleichzeitig die Frage: Wer will ich sein?


Nicht nur das Leben im Ausland, auch die Rückkehr bedeutet eine große Anpassungsleistung für die ganze Familie, nicht umsonst spricht man vom Reverse Culture Shock, vom Kulturschock in der Heimat. Meine Serie: „Zurück aus…“ fragt nach euren ersten Erfahrungen wieder in Deutschland. Was fällt euch schwer? Was fällt euch leicht? Worauf habt ihr euch gefreut, was vermisst ihr hier? Wie nehmen’s die Kinder und ihr selbst? Ich freue mich, wenn ihr mir berichten und meine Interviewfragen beantworten wollt. Schreibt mir gerne an blog@expatmamas.de

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