Unser Umzug ins Ausland und meine Selbstständigkeit haben sich nicht immer vertragen. Ja, tatsächlich. Ich hatte zwar damit gerechnet, trotzdem war es (und ist es während der Rückkehr noch immer) nicht einfach, Anspruch und Wirklichkeit miteinander auszusöhnen.
Der Job im Handgepäck
Auf den ersten Blick scheint Selbstständigkeit und Entsendung eine ideale Kombination für Expat-Partner. Man muss nicht kündigen, sondern packt einfach den Laptop ein. Und wenn man dann auch noch über Expatthemen schreibt, so wie ich, ist das doch wunderbar! „Da findest du ganz viele neue Geschichten!“, hieß oft der gut gemeinte Trost für mich, als mir die Begeisterung für den Umzug nicht ins Gesicht geschrieben stand.
Und ja, grundsätzlich stimmt das auch. Vor 5 Jahren hatte ich im Interview zwei Expatmamas dazu befragt. Johanna hatte ein eigenes kleines Label für Kinderprodukte, als sie mit ihrem Mann nach Seoul ging, Miriam war (und ist heute erfolgreicher denn je) Autorin und lebte seinerzeit in Bangladesh. Beide hatten ihren Job mit umgezogen – und doch war es auch für sie nicht einfach, durchgängig weiterzumachen.
Denn so ein Umzug ist eben mehr als nur ein Standortwechsel oder – in meinem Fall – ein netter Field Trip, um neue Geschichten zu schürfen.
Faktor Zeit
Ein Umzug ins Ausland ist ein Ressourcenfresser. Und zwar vor allem meiner kostbarsten Ressource: Zeit!
Das habe ich eben bei der Rückkehr wieder deutlich zu spüren bekommen. Wo es ging, hatte ich versucht, den Aufwand fürs Ein- und wieder Auspacken gering zu halten, indem wir nur mit Luftfracht gereist sind. Aber natürlich geht es um so viel mehr als Gepäck.
Infoveranstaltungen der Schule zu zig verschiedenen Themen, Kinderarztbesuche für erforderliche Health Checks (davor muss man natürlich erst mal den Kinderarzt suchen), Behördengänge oder meine legendäre Sportkurssuche. Selbst Einkaufen dauert zu Beginn doppelt so lang wie daheim, bis man findet, was man sucht. Und natürlich nachmittageweise zuhören, trösten, helfen und Leibgerichte kochen.
Gleichzeitig erwarten die Daheimgebliebenen Lebenszeichen, die Leser Texte, die Werbekunden Traffic auf der Website und man selbst wünscht sich Raum für Kreativität und muss auf eine treue Community vertrauen, die die Durststrecke mitmacht.
Faktor Netzwerk
Ein Umzug ins Ausland ist ein Beziehungskiller. Er hat mich von meinem mühsam aufgebauten, lokalen Netzwerk abgeschnitten.
Keine Besuche mehr der regionalen Netzwerkfrühstücke bei Damaris. Keine Bloggerkonferenzen zur Weiterbildung. Keine eigenen Tea & Talk Treffen mehr. (Da kam Corona fast wie ein später Trost, denn plötzlich mussten auch die anderen verzichten.)
Faktor Kreativität
Ein Umzug ins Ausland ist ein Ideenräuber. Viele meiner Ziele musste ich umstecken und ich gehöre zu den Menschen, die ihre Komfortzone brauchen, um kreativ und produktiv zu sein, um neue Ideen zu entwickeln; wie ein junger Setzling: bevor ich Blüten treiben kann, muss ich Wurzeln schlagen.
Erst wenn das Familiengetriebe leise vor sich hin schnurrt, habe ich Energie, mich anderen großen Baustellen zu widmen; am Anfang der Zeit in Atlanta war das der Relaunch meiner Website, für den ich in die Tiefen von WordPress abtauchen musste. Jetzt wäre es wieder Zeit für eine Weiterentwicklung – aber der (Schul-)Alltag läuft noch nicht rund.
Das Expat-Mantra „Raus aus der Komfortzone“ klingt so locker, flockig, leicht, als bräuchte man nur einen heilsamen Tritt in den Hintern und schon ist man mitten drin im Wunderland der Möglichkeiten. Eigentlich müsste es heißen „Rein in die Komfortzone“, denn das ist es, was man leisten muss: ein geborgenes Umfeld schaffen, in dem man Ideen entfalten kann.
Mama als digitale Nomadin
Heutzutage wird es ja manchmal als Jammern missverstanden, wenn man offen sagt: Das ist alles kein Spaziergang.
Natürlich hatte ich auch Glück:
Ich bin mit einer definierten Aufgabe im Gepäck ins Flugzeug gestiegen, noch dazu mit einer Aufgabe, für die ich nicht mehr als einen Laptop brauchte.
Ich wusste immer, wie ich meine Stunden und Tage fülle. Leerlauf gab es nicht.
Ich hatte etwas Sinnstiftendes zu tun.
Ich war virtuell immer mit vielen anderen verbunden und in dieser Hinsicht sicher weniger allein als viele andere Expat-Partner.
Ich bin drangeblieben und habe den Spagat geschafft (auch wenn ich manchmal dachte: gleich reißt irgendwo was).
Aus Selbstmarketing-Gründen ist die Erfolgsstory der digitalen Nomadin sicherlich die geschmeidigere Geschichte. Aber wen bringt das weiter? Ist es nicht besser, beide Seiten der Medaille zu kennen?
Denn mit der Aufgabe reist auch das konstant schlechte Gewissen mit, dem Job nicht genug Aufmerksamkeit widmen zu können.
Es gibt NIE Leerlauf; Zeit ist nicht dehnbar, was an der einen Stelle investiert wird, fehlt an der anderen. Der ewige Balanceakt Kind – Arbeit – Sozialleben; wenn 1 und 3 mehr Aufmerksamkeit brauchen, gerät 2 ins Hintertreffen.
Das Dilemma, welche der eigenen Ideen unter den neuen Bedingungen noch umsetzbar sind, erfordert ein ständiges Hinterfragen, Abwägen, Neu-Ausrichten.
Falls also jetzt noch jemand dachte, das fügte sich bei der Jonna alles so wunderbar – Expat- und Bloggerleben, Entsendung und Job, dann hat mein Realitätsfimmel jetzt Ernücherung herbeigeschrieben.
“All magic comes with a price.”*
Man muss mit sich selbst handelseinig werden: Welchen Preis möchte man an welcher Stelle zahlen?
*Erst Rapunzel-Turm, jetzt Rumpelstilzchen-Anlehnung, vielleicht das nächste Mal eine Rotkäppchen-Analogie? (Mr. President, warum haben Sie so einen runden Mund? – Damit ich besser dazwischenblöken kann.)
Du hast das doch alles bestens auf die Reihe gebracht. Dass Du Deine Kinder und Deinen Mann immer vornan gestellt hast, ehrt Dich, und kann nicht genug hervorgehoben und geschätzt werden.
Das ist eine sehr reale Sicht auf die Dinge, mit all den Plus- und Minus -Seiten, die auf einen zukommen und bewältigt werden müssen. Durch den Artikel fühlen sich sicher sehr viele verstanden. Er ist gut analysiert und in wunderbare Worte gefasst.
All die Anstrengungen mögen sich lohnen, good luck!