Interview: Zurück aus ...

Zurück aus … Florida

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Die Rückkehr gilt oft als der schwierigste Part einer Entsendung. Ganz sicher war das für Sonja und ihre Familie der Fall, als ihre Erkundungsreise nach Hamburg ungewollt zur endgültigen Ausreise mutierte im Frühjahr 2020. Inzwischen ist das Tal der Tränen nicht nur durchschritten, sondern Sonja hat sich auch einen Traum verwirklicht, von dem sie heute im Interview erzählt.

Rückkehr Knall auf Fall

e/m: Liebe Sonja, nach 4 Jahren in Weston, Florida, seid ihr 2020 aus den USA zurückgekehrt. Leider lief das anders als geplant. Was waren eure größten Herausforderungen?

Sonja: Wir hatten grundsätzlich eine Heimkehr nach Hamburg geplant und mussten im Frühjahr 2020 beruflich, sowie für den Hauskauf und die Schulauswahl für eine 10-tägige Reise nach Deutschland fliegen. 

Kaum in Deutschland waren plötzlich durch Corona die Grenzen dauerhaft zu. Unser Heimflug nach Miami wurde undenkbar und wir saßen zu viert mit ein paar Koffern ohne eigene Bleibe bei Freunden fest. Das neue Haus war noch nicht frei und Airbnb etc. standen nicht zur Verfügung.

Auf der anderen Seite des Atlantiks war unser Labrador, unser gesamter Hausrat sowie alle Freunde von uns und den Kindern, die wir nicht verabschiedet hatten. Ein Alptraum. 

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Wir warteten vergeblich auf eine Aufhebung des Einreisestopps und mussten schließlich aus der Ferne den Umzug unseres Hausrates, vor allem aber für unseren Hund organisieren. 

Die Airlines hatten zu der Zeit die Beförderung von Tieren eingestellt, sodass wir unseren geliebten Labrador erst nach 3 Monaten Aufenthalt in einer Hundepension und für sehr viel Geld über London nach Amsterdam ausfliegen konnten. Immerhin konnten wir dort die Gelegenheit nutzen, eine andere Expatmama zu treffen.

Es hat viele Monate gedauert, bis sich unsere Familie von diesem Rückkehr-Drama erholte.

e/m: Das klingt wirklich nach einem Worst-case-Rückkehr-Szenario. Was hat euch in dieser Zeit am meisten geholfen?

Sonja: Ich war sehr froh, durch den bekannten Ort wenigstens unsere Freunde und Familie zu haben, sowie eine gute Orientierung, wie wir uns neu zurechtfinden können. Ich denke, das Eingeständnis, ziemlich am Limit zu sein, und die offenen Gespräche mit Freunden waren da der rote Faden, sodass wir alles meistern konnten. 

e/m: Was war das Schwerste für euch? 

Sonja: Der fehlende Abschied! Es war hart, ohne Vorwarnung und „Auf Wiedersehen“ einfach so heraus gerissen zu werden. In den ersten drei Wochen brachte mich allein der Gedanke an unser Zuhause zum Weinen. 

Wir kannten zu dem damaligen Zeitpunkt nur das normale amerikanische Leben versus Lockdown in Hamburg und das hat die Eingewöhnung in Deutschland natürlich verschlimmert. 

Das ganze Organisatorische war im Vergleich zum emotionalen Teil, gerade für meinen Mann, einen Logistiker, eher ein Kinderspiel. 

e/m: Abgesehen von diesem abrupten Abschied, sind eure Kinder gerne nach Deutschland zurückgekommen?

Sonja: Wir hatten bereits vor Amerika einige Jahre in Hamburg gelebt. Unser Sohn ist mit seinem ehemaligen Freundeskreis und der deutschen Kultur sehr verbunden, so dass er sich auf den Umzug grundsätzlich gefreut hatte. 

Unsere Tochter hat unsere Zeit in Florida sehr geprägt. Sie spricht akzentfrei Englisch und war inzwischen eine Amerikanerin geworden. Sie war daher lange in einer Art Schockzustand und möchte auch noch heute am liebsten zurück.

Die Rückkehr verlief mit den Kindern genau andersherum als damals beim Umzug in die USA. 

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e/m: Wie kamen eure Kinder mit dem Schulwechsel zurecht?

Sonja: Im deutschen Schulsystem wieder Fuß zu fassen war für beide nicht leicht, da die Schulen auf „deutsche Ausländer-Kinder“ wie unsere nicht vorbereitet sind. 

Die Kinder mussten (wieder) lernen, auf Deutsch zu lernen, und brauchten dafür etwa ein Schuljahr. Unsere Tochter musste auch ein Schuljahr wiederholen, da Hamburg den 11. Jahrgang trotz exzellenter Noten aus den USA für die Oberstufe nicht anerkannt hat. 

Türen zu Neuem aufstoßen

e/m: Du selbst hast nach der Rückkehr etwas ganz Neues gewagt und erst vor kurzem dein eignes Atelier gegründet: LUMi. Was genau bietest du an?

Sonja: Ich biete individuell bestickte, personalisierte Produkte für Babys, Kleinkinder und Frauen an. 

Die Palette reicht von Lätzchen über T-Shirts und Taschen bis hin zu Geschirrtüchern, Kochschürzen und Kosmetikbeuteln.

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Bei meinen Produkten möchte ich Plastik und Chemiefasern so gut es geht vermeiden. Daher verwende ich hauptsächlich Naturmaterialien wie z.B. Baumwolle, Leinen, Jute, Holz und Bambus. Und auch das Stickgarn ist nicht wie üblich aus Polyester, sondern aus der Naturfaser Viskose. Daher bauen sich alle Produkte wieder ab und erfüllen somit die Bedürfnisse der heutigen Zeit. Der Versand erfolgt auch plastikfrei.

e/m: Aus welchem Bereich kommst du ursprünglich? Was hast du vor bzw. während der Zeit in den USA gemacht?

Sonja: Mein Lebensweg ist nicht sehr geradlinig. Ursprünglich wollte ich immer im Bereich Gestaltung studieren, bin dann aber letztendlich im Finanzbereich gelandet. Mit diesem recht trockenen Thema war ich aber immer irgendwie unglücklich und habe in den USA ein Fernstudium sowie diverse Kurse bei Coursera und Skillshare absolviert. 

Ich brauchte geistiges Futter und neben dem Dasein als Expat-Frau und Mutter eine ausgleichende Aufgabe. Seit ca. 20 Jahren habe ich von Herzen viel genäht und kreativ gearbeitet. So kam das eine zum anderen.

e/m: War das schon immer dein Plan, bei der Rückkehr ein Atelier zu eröffnen?

Sonja: Nein, nicht so konkret. Mir war aus meinen Netzwerken jedoch bewusst, dass die deutschen Arbeitgeber nicht auf die Rückkehr einer reiferen, verheirateten Frau und Mutter aus den USA warten würden. 

Und ich hatte schon länger den Wunsch, mich selbstständig zu machen, um kreativ zu arbeiten. Eine selbstständige Arbeit von zu Hause ermöglicht es mir besser, etwas näher an den Kindern, unserem Hund und Haus zu sein.

Das Planen unseres Hausumbaus und das Nähen hat mich in der ersten Zeit in Hamburg so beflügelt, dass ich meine Interessen zum Beruf machen wollte. Nach einem guten dreiviertel Jahr war es dann soweit, dass wir etwas Boden unter den Füßen hatten und Routine in den Alltag kam.

e/m: Gab es einen zündenden Moment, deine Idee umzusetzen?

Sonja: Eines unserer Kinder hatte im Frühjahr 2021 ein Berufspraktikum anstehen und der Platz wurde aufgrund von Corona sehr kurzfristig vom Unternehmen abgesagt. Also musste schnell Ersatz her. 

Ich sah das als Wink des Schicksals, dass JETZT mein Zeitpunkt ist, Nägel mit Köpfen zu machen, um mit meinem Atelier zu starten. 

Familienbande

e/m: D.h. das Berufspraktikum für dein Kind war dann die Unternehmensgründung mit dir?

Sonja: Genau. Ich habe mit unserem Kind drei Wochen stramm an der Firmengründung gearbeitet. Es wurden Produkte entworfen, Kosten kalkuliert, das Gewerbe angemeldet, ein Bank-Konto eröffnet und alles was dazu gehört. Und somit war das die Geburtsstunde für das LUMi | Atelier – Bestickte Geschenke für Groß und Klein. 

Es hat uns beiden riesen Spaß gemacht und war für uns als Mutter-Kind-Team eine wertvolle Zeit. Es hat uns auch gelehrt, dass man in ungünstigen Situationen auch manchmal eine perfekte Chance ergreifen kann, neue Wege zu gehen.

e/m: Wofür steht der Name LUMi? 

Sonja: Es war mir wichtig, dass der Name auf mich persönlich zugeschnitten sein sollte. 

Lumi heißt auf Hawaiian-English „Raum“, was zu meinem Atelier-Zimmer gut passt. Hawaii hatte für meinen Vater und mich eine besondere Bedeutung. Leider ist er verstorben, als ich noch sehr jung war, und ich mag daher den Bezug zu ihm. 

Zudem bedeutet Lumi in Finnland Schnee und mein Atelier ist hauptsächlich in Weiß gehalten.  

Die Vornamen unserer Kinder fangen ebenfalls mit dem Buchstaben L an, also warum nicht auch mein neues kleines Baby, das Atelier?  Und ja, so fühlte sich der Name LUMi genau richtig an.

e/m: Das klingt richtig rund. Und wie kommt es zu der besonderen Schreibweise?

Sonja: Meine Tochter möchte Design studieren. So habe ich es ihr anvertraut, das gesamte Design zu entwerfen und mit mir abzustimmen. Sie war verantwortlich für den Schriftzug, das Logo, die Versand-Etiketten, das Brief- und Rechnungspapier, die Web-Etiketten und alles andere, was man von der Produktion bis zum Versand benötigt. Die Schreibweise mit den drei Großbuchstaben steht für ein starkes Unternehmen mit dem gewissen i-Tüpfelchen.

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e/m: Was ist deine Vision? Was möchtest du erreichen?

Sonja: Unsere Kinder sind schon etwas größer und bei unseren Umzügen hatte ich wieder mal die Andenken-Boxen der Kinder in der Hand und weiß, wie schön es ist, wenn man später ein paar geliebte Unikate hat, durch die man sich an diese besondere Zeit der Kinder erinnert. 

Ich freue mich also heute, wenn ich durch meine Produkte anderen Frauen und Familien eine Freude bereite.

Zudem ist es mir als Ex-Expatfrau natürlich auch ein Thema, mich finanziell etwas abzusichern und mir ein eigenes Einkommen aufzubauen. Und es ist schön, jenseits des Familienlebens noch eine eigene Welt zu haben, in der man positives Feedback erhält.  

Ich würde mich daher riesig freuen, wenn ich es schaffe, ein Unternehmen mit weiteren Angestellten aufzubauen. Ex-Expatfrauen werden natürlich bevorzugt eingestellt 

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Zeit und Raum geben

e/m: Als ihr in die USA gegangen seid, wie hattest du dir damals eure Rückkehr vorgestellt? (Abgesehen davon, dass eine Pandemie sich wohl niemand hätte vorstellen können.)

Sonja: Ehrlich gesagt, war nie ganz klar, ob wir jemals nach Deutschland zurückkehren würden. Ich bin nicht sehr heimatverbunden, da meine Familie auf einigen Kontinenten verteilt lebt und ich bin schon sehr viele Male im Leben umgezogen.

Zum Thema Rückkehr wurde mir irgendwann bewusst, dass man zwar die Wahl hat, ob man zum Zeitpunkt X ins Ausland ziehen möchte. Bei der Rückkehr hingegen läuft das alles recht fremdbestimmt und man muss zu einem Zeitpunkt X wieder seine Sachen packen, selbst wenn man gar nicht umziehen oder an diesem neuen Ort leben möchte. 

Unsere Familie ist nun in Hamburg glücklicherweise mit dem Wohnort sehr froh und wir werden nun hierbleiben. Zumindest vorerst.

e/m: Hättest du einen Tipp für andere Expatmamas, denen die Rückkehr noch bevorsteht?

Sonja: Alle Gefühle sind OK und jedes Familienmitglied lebt eine individuelle Rolle und hat dadurch eine ganz eigene Perspektive und Art, mit der Situation umzugehen. 

Im Expatleben sind Angst oder Pessimismus eher ein schlechter Berater. Und daher gehe ich die Dinge meist sehr aktiv und positiv an. Ich bin recht gut in Expat-Gruppen vernetzt und tausche mich aus. Man ist nicht allein mit diesen Hürden! 

Ganz wichtig ist es, dass vor allem die Kinder ihren Frust, ihre Wut und Trauer ausleben dürfen. Als Eltern muss man dann viel Kraft und Vertrauen haben, diese ganzen Stimmungsschwankungen auszuhalten. 

Und man sollte darauf vertrauen, dass das Kind seinen Weg schon gehen wird. Sie benötigen je nach Alter und Typ (unsere waren bei der Rückkehr 13 und 17 Jahre) ca. ein Schuljahr, um die ganzen Umstellungen zu verarbeiten und um sich neu zu orientieren.

Es kann in dieser Zeit dann helfen, wenn man sich selbst kleine Inseln der Fürsorge aufbaut.

Auch als Elternpaar, da die Beziehung in neuen Lebensabschnitten auch herausgefordert wird.

Den neuen/alten Wohnort vergleiche ich nicht mit der alten Heimat. Alle Orte haben Vor- und Nachteile, wobei ich den Fokus darauf lege, für unsere Familie die Pluspunkte zu verstärken und den negativen Seiten einfach nicht sonderlich Beachtung zu schenken. 

Schönes für die Seele

e/m: Inseln der Fürsorge sind ein schöner Begriff. Was sind für euch solche Inseln?

Sonja: Wir waren durch den Lockdown in den Möglichkeiten wie alle recht eingeschränkt. Monatelang sah es während des Umbaus in unserem neuen Haus aus wie in der IKEA-SB-Halle und wir haben gemerkt, dass auch Kleinigkeiten wie Kerzen, Mini-Lichterketten, ein paar Kissen und ein hübsch gedeckter Tisch selbst im Chaos einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden haben können. 

Für die Kinder war es wichtig, sich zurückziehen zu können. Sie hatten ganz viele Gespräche mit ihren Freunden in den USA und Deutschland. 

Unser Labrador ist auch immer ein Ruhepol und verbindet uns als Familie sehr.

Ich kann durch Bücher sehr gut in andere Welten abtauchen oder mich ganz auf kreative Arbeiten, wie das Nähen und das Sticken konzentrieren. 

Mein Mann kann am besten beim Kochen oder bei der Gartenarbeit entspannen. Wir machen auch gerne Tagesausflüge ans Meer. 

Wichtig ist es, immer wieder in sich hineinzuhorchen, wann man selbst, der Partner oder auch die Kinder mit der Seele eine Pause brauchen. Gemeinsam kann man dann schauen, was in der jeweiligen Situation fehlt und was dann das Passende ist. 

In den USA half den Kindern zum Beispiel der Einkauf ein paar deutscher Produkte und das gemeinsame Essen nach deutscher Tradition.

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e/m: Vielen Dank, liebe Sonja, für deine Tipps und dass du dir Zeit genommen hast. Ich wünsche deiner Familie weiter gutes Einleben in Hamburg und dir ganz viel Erfolg für dein Atelier und ein gutes Weihnachtsgeschäft.

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Besuch doch Sonja einmal auf Instagram 
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Suchst du weitere Mutmach-Geschichten nach der Rückkehr? Dann lies hier von Silkes Neuanfang.

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