Expat-Leben

Abschied aus der Ferne

Abschied aus der Ferne - www.expatmamas.de/blog/ #expatmamas #rückkehr #usa

In der Theorie heißt es immer: Expats sollten ihre Abschiede zelebrieren. Als Birte Ende Februar mit ihrer Familie in Chicago ins Flugzeug stieg, wusste sie aber noch nicht, dass es ihr Abschied vom Expatleben werden sollte. Nur eine Woche wollten sie in Deutschland bleiben – nun, fünf Monate später, hat ihre Nachbarin ihren Container allein in den USA auf die Reise geschickt.

e/m: Liebe Birte, als ihr nach Deutschland ausgebrochen seid, waren gerade Frühlingsferien. Wolltet ihr Urlaub machen?

Nicht ganz. Wir hatten Ende Februar einen Termin beim amerikanischen Konsulat in Frankfurt, weil wir für eine andere Visa-Kategorie vorsprechen mussten. Mein Mann und meine jüngere Tochter haben das Visum bekommen, bei meiner älteren Tochter und mir wurden laut Konsulat „weitere Informationen“ benötigt. 

e/m: Ihr konntet also nicht wie geplant zurückfliegen und dann kamen die Reisebeschränkungen für die USA wegen Corona…

Richtig. Zum einen hatte nur die halbe Familie die neuen Visa, zum anderen durfte plötzlich sowieso niemand mehr mit Visum aus Europa ins Land. Wir haben natürlich zunächst gehofft, dass alles wäre in ein paar Wochen wieder vorbei. Inzwischen wurden aber die Reisebeschränkungen mehrmals verlängert und die neuesten Restriktionen der US-Regierung bei der Visa-Vergabe haben dazu geführt, dass unsere Anträge weiterhin auf Eis liegen. 

e/m: Wenn ihr alle das Visum im Februar bekommen hättet, wie lange wolltet ihr dann noch in den USA bleiben?

Wir hatten geplant, bis Ende Juli zu viert in den USA zu bleiben. Für meinen Mann sollte eigentlich die Entsendung verlängert werden, er sollte dann auf einer Fly-in /Fly-out-Basis für ein weiteres Jahr für die amerikanische Firma arbeiten. Doch die Entscheidung, ob das überhaupt möglich ist, steht noch aus. Es ist auch davon abhängig, wann Herr Trump den Einreisestopp für Europäer lockert.

Im Moment arbeitet mein Mann von Deutschland aus im Homeoffice. Da seine Firma das Büro seit Ende März bis voraussichtlich Anfang August sowieso geschlossen hat, geht das. Dann werden wir sehen…

e/m: Würde er allein zurückgehen, wenn die Grenzen wieder offen wären?

Ja, da es ja sowieso geplant war, dass er ab August alleine dort wäre. Er würde sofort fliegen, sobald die Grenzen öffnen. Manche Dinge lassen sich halt doch nicht aus dem Homeoffice erledigen.

e/m: Was war der Grund für euch, dass ihr nicht alle die Entsendung verlängern wolltet?

Unsere 13-jährige Tochter hat nächstes Jahr Konfirmation, da wollten wir, dass sie pünktlich zum Beginn des Unterrichts wieder in Deutschland ist. 

Und unsere 9-Jährige sollte die letzte Klasse der Grundschule in Deutschland machen, um sich den Weg aufs Gymnasium nicht zu verbauen.

e/m: Wie habt ihr das Thema „Schule“ für eure Töchter in dieser ungewissen Zeit gelöst?

Da wir lange die Hoffnung nicht aufgegeben haben, dass wir irgendwie doch noch vor Beginn der Sommerferien wieder zurückkehren könnten, haben meine beiden Mädels erstmal noch am Onlineunterricht der amerikanischen Schule teilgenommen. Da die Schulen in USA ja auch alle geschlossen waren, war das auch kein Problem. 

Als die Schulen in Hessen dann Mitte Mai eingeschränkten Präsenzunterricht angeboten haben, haben wir uns dazu entschieden, sie in Deutschland anzumelden. Sie sind bis zu den Sommerferien in ihre alten Klassen zurück.

e/m: Hat der Unterricht gut funktioniert? 

Die Große geht in die 7. Klasse eines Gymnasiums und hatte einen Tag pro Woche Präsenzunterricht (nur für die Hauptfächer). Der Rest bestand aus E-Mails, mit denen das Lernmaterial zur Verfügung gestellt wurde. Am Präsenztag wurden dann die Ergebnisse gemeinsam besprochen. 

Die Kleine geht in die 3. Klasse der Grundschule und hatte auch erst nur einen Präsenztag pro Woche, in den letzten beiden Wochen vor den Ferien waren aber alle Grundschulklassen wieder regulär 5 Tage (jeweils 5 Stunden) in der Schule. Hierbei ist im Klassenverbund die Abstandsregel und die Maskenpflicht aufgehoben.

e/m: Wo lebt ihr, seitdem ihr sozusagen in Deutschland gestrandet seid? 

Glücklicherweise haben wir für die Zeit unserer Entsendung unser Haus in Deutschland mit einer „Notmöblierung“ behalten, um in den Sommerferien und an Weihnachten eine Bleibe zu haben. Deshalb können wir seitdem in unserem Haus leben.

e/m: Und was passierte mit eurem Zuhause in Chicago?

Wir haben in Chicago in einer 3-Zimmerwohnung in einem Hochhaus gewohnt. Eine unserer Nachbarn war eine ältere Dame aus Österreich, mit der wir uns angefreundet hatten. Sie hatte glücklicherweise auch einen Schlüssel zu unserem Apartment.

Als klar wurde, dass wir nicht mehr in die USA zurückkehren können, mussten wir jetzt unseren Auszug von Deutschland aus organisieren, d.h. unsere österreichische Freundin hat so gut wie alles für uns übernommen: Termine mit dem Umzugsunternehmen zur Begehung und Einschätzung unseres Umzugsvolumens, am Tag des Umzugs anwesend sein und, und, und. 

Da wir ausgereist sind mit dem Plan, nach spätestens einer Woche wieder zurückzukehren, kannst du dir ja vorstellen, dass die Wohnung alles andere als in einem „umzugsfertigen“ Zustand war. Kühlschrank voll, Vorratsschrank voll, Wäschekorb voll mit ungewaschener Wäsche…… um all das und noch viel mehr hat sich unsere Nachbarin gekümmert.

Wir sind soso dankbar, sie zu haben.

e/m: Wie geht es euch inzwischen?

Mittlerweile geht es uns wirklich gut, nachdem wir die ersten Schocks überwunden haben. Da wir mittlerweile schon fast 5 Monate in Deutschland sind, haben wir uns mehr oder weniger schon eingelebt und es fühlt sich (bis auf das Heimweh nach Chicago) normal an.

e/m: Wie war für dich und die Kinder der Abschied ohne richtig Abschied nehmen zu können?

Es war natürlich total blöd, dass wir uns nicht von Freunden und Bekannten verabschieden konnten. Die Mädels hatten vor, noch jede eine kleine Abschiedsfeier zu machen. Aber am schlimmsten habe ich diese Ohnmacht empfunden, dass man einfach nicht mehr „nach Hause“ konnte. Dass alles so abrupt geendet hat.

e/m: Was vermisst ihr?

Wir vermissen die Stadt und unser Leben dort, das so ganz anders war, als das hier in der Kleinstadt. Nicht besser oder schlechter, aber eben anders, und das war das Schöne daran, die Möglichkeit, für eine bestimmte Zeit ein völlig anderes Leben zu führen. 

e/m: Was hättet ihr gerne noch getan? (außer natürlich das Schuljahr abzuschließen?)

Wir hätten gerne noch einen letzten Sommer in Chicago gehabt. Außerdem wollten wir noch New York und Las Vegas besuchen.

e/m: Was ist für dich die schönste Erinnerung?

Meine schönste Erinnerung ist, dass wir 4 noch nie so viel Zeit als Familie füreinander hatten, wie in den 1,5 Jahren in den USA.

e/m: Und worüber freust du dich am Meisten in Deutschland?

Am Meisten freue ich mich jetzt darüber, dass wir wieder in der Nähe von Familie und Freunden leben und ganz viel Zeit mit ihnen verbringen können!

e/m: Liebe Birte, vielen Dank, dass du dir so viel Zeit genommen hast. Ich wünsche euch einen schönen Sommer und weiter gutes Wieder-Einleben.

Mehr zum Thema Rückkehr nach Deutschland findest du hier: Expatmamas-Wissen: R – Rückkehr und Reverse Culture Shock

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert