Expat-Leben

In Deutschland gestrandet

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Jessica war mit ihrer kleinen Tochter auf Heimatbesuch, als Präsident Trump überraschend die Grenzen der USA für Europäer schloss. Seit zwei Monaten wartet sie nun schon, endlich ihren Mann in Alabama wieder zu sehen.

Geschlossene Grenzen – getrennte Familien

Die Einreisebeschränkungen, die viele Länder wegen der Corona-Pandemie verhängt haben, treffen einige Expat-Familien im besonderen Maße. Manche schafften es auf den letzten Drücker noch in das Gastland einzureisen wie Sibylle, deren Interview du letzte Woche lesen konntest; andere Expats mussten Hals über Kopf ausreisen; und dann gibt es noch Familien, die unfreiwillig getrennt wurden, wie die von Jessica. Sie war bereit, mir davon zu erzählen.

Interview mit Jessica

e/m: Liebe Jessica, seit mehr als zwei Monaten bist du wegen Corona von deinem Mann getrennt. Wie ist das passiert?

Wir hatten uns eine Wohnung in Deutschland gekauft, bevor wir in die USA entsandt wurden. Diese befand sich vor unserer Abreise noch in der Bauphase und war Anfang März bereit zur Abnahme. Da die Info hierzu recht kurzfristig kam, konnte mein Mann nicht mitkommen und ich bin mit meiner Tochter (zu dem Zeitpunkt 16 Monate alt) allein nach Deutschland. Kurz darauf kam der Lockdown bzw. das Einreiseverbot für Europäer in die USA.

e/m: Wurdest du davon überrascht bzw. hattest du überhaupt noch eine Chance, zu versuchen noch schnell in die USA zurückzukommen?

Vom Einreiseverbot habe ich erfahren, als ich eines Morgens nach dem Aufstehen zig Nachrichten von Freunden und der Familie hatte, die mir Links von Trumps Aussagen geschickt hatten und nachfragten, ob mich das beträfe. Anfangs war das auch überhaupt nicht so klar und erst am nächsten Tag, als die Proklamierung online war, wusste ich sicher, dass es uns betrifft. 

Das war anderthalb Wochen vor unserer geplanten Rückreise. Ich hatte noch versucht, schnell einen Flug in die USA zu ergattern, da noch ein Tag bis zum Inkrafttreten des Einreiseverbots übrig war, aber es gab nur noch Erste-Klasse-Tickets und das war definitiv zu teuer.

e/m: War das dein erster Heimatbesuch alleine?

Ja, es war sogar der erste Heimatbesuch überhaupt. Wir kamen erst Ende August 2019 nach Alabama.

e/m: Wie hatte es dir bis dahin dort gefallen?

Wirklich gut. Ich fühle mich wohl dort und hatte sehr schnell Anschluss gefunden. 

Im Sommer wollte uns eigentlich meine Schwiegermutter besuchen und wir wollten rumreisen und das Land anschauen. Das wird jetzt natürlich nichts.

e/m: Wie würde dein Alltag aussehen, wenn du jetzt dort wärst?

Da wir erst gut 6 Monate in Alabama lebten, hatte ich gerade erst einen richtigen Alltag Zustande bekommen. Morgens bringe ich die Kleine entweder in die Daycare (2-3 Mal die Woche bis mittags) oder wir gehen in die Krabbelgruppe oder zum Kinderturnen. Nach dem Mittagsschlaf sind wir je nach Wetter spazieren oder auf den Spielplatz, was man eben so macht. Oder natürlich auch einkaufen zusammen. Dass abends der Papa heimkommt, konnte meine Tochter immer kaum erwarten.

e/m: Wie geht es ihr jetzt mit der unfreiwilligen Trennung?

Sie vermisst ihren Papa sehr. Sie will jeden Abend vor dem Einschlafen hören, dass Papa sie liebt und sie vermisst und bei ihr sein möchte, sonst weigert sie sich zu schlafen. Macht mein Handy einen Mucks, ruft sie sofort: „Papa!“ und hofft, dass er dran ist. 

Sie knuddelt immer das Handy und küsst ihn auf dem Bildschirm, wenn wir mit Video telefonieren. Was leider nicht übermäßig oft ist, da wir kein Wlan haben und die Zeitverschiebung macht es auch nicht einfach. Wenn sie ins Bett soll, ist bei ihm Nachmittag und er muss arbeiten. Sie vermisst ihn wirklich sehr. 

Das fällt mir am Schwersten, zu sehen, wie sie (und auch er!) darunter leiden.

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e/m: Wie sieht dein Alltag jetzt aus?

So der grobe Rahmen ist immer noch derselbe, kleine Kinder brauchen ja ihren Rhythmus beim Essen und Schlaf. Kita und sonstige Veranstaltungen haben wir hier natürlich nicht. Die ersten zwei Wochen durften wir noch Freunde und Verwandte treffen und das hatten wir ausgiebig getan. Seit dem Lockdown sieht das natürlich anders aus und wir sind sehr viel allein oder bei der Oma oder vor allem den Urgroßeltern. 

Das mag jetzt verwundern, aber wir haben uns vor dem Lockdown seit meiner Ankunft fast jeden Tag gesehen und daher haben wir uns gemeinsam dazu entschieden, dass wir das weiterführen. 

Meine eigene Familie hatte ich zwischenzeitlich ganz lange nicht gesehen, seit den Lockerungen treffen wir sie aber auch ab und an, sie wohnen allerdings in Karlsruhe. Mit Freunden treffen wir uns jetzt auch wieder, aber aus Rücksicht auf die Großeltern meines Mannes nur mit Abstand, d.h. zum draußen Spazieren hauptsächlich.

e/m: Wo seid ihr in dieser ganzen Zeit untergekommen?

Anfangs haben wir noch bei meiner Schwiegermutter gelebt. Die hatte Kurzarbeit wegen Corona und man hatte ja gedacht, dass ich Mitte April wieder zurück darf. 

Dann wurde das Einreiseverbot in die USA auf unbestimmte Zeit verlängert, das war natürlich ein großer Schock. 

Meine Schwiegermutter musste dann auch von Zuhause aus arbeiten, was mit meiner Kleinen überhaupt nicht funktioniert hat. Also habe ich mich daran gemacht, die nötigsten Möbel und Dinge zusammen zu bekommen, damit wir in die gekaufte Wohnung einziehen konnten, wegen der wir ja überhaupt in Deutschland waren. 

Unsere Möbel und alles ist in Alabama und ich kam für den Besuch nur mit einem großen Koffer für mich und meine Tochter her. Da wir hier in Maichingen, wo wir wohnen, und Umgebung viele Freunde haben und durch unsere Zugehörigkeit zur Feuerwehr auch sonst viele Leute kennen, habe ich schließlich das Nötigste beschaffen können und vor etwa drei Wochen sind wir eingezogen.

e/m: Und wie geht es dir im neuen „Zuhause“?

In der neuen Wohnung lebt es sich gut, vor allem seit wir vor ein paar Tagen nun auch endlich die Küche eingebaut bekommen haben. Sonst ist es zwar etwas karg, aber wir sind mit allem, was wir brauchen, ausgestattet und mit wenig zufrieden. 

Wir haben hier ja noch Glück im Unglück, es könnte alles viel schlimmer sein. Ja, ich mag die Wohnung.

Was mir zu schaffen macht, ist nicht zu wissen, wann sich die Situation wieder ändert. Man kann nichts machen und nichts planen. Nur warten, warten.

e/m: Wie geht es deinem Mann? Ist er im Home-Office? 

Mein Mann hält sich tapfer, aber er vermisst uns natürlich sehr und leidet unter der Situation. Anfangs durfte er im Homeoffice arbeiten, mittlerweile ist er abwechselnd eine Woche im Werk und eine im Home-Office. 

e/m: Überlegt er, zu euch nach Deutschland zu kommen?

Natürlich hat er das, aber es ist nicht so einfach. Er würde ja auch nicht mehr zurückreisen dürfen derzeit. Und der Arbeitgeber hat ihm untersagt von hier aus zu arbeiten. Daher funktioniert das leider nicht, denn wir sind auf den Job natürlich angewiesen.

e/m: Kümmert sich der Arbeitgeber in irgendeiner Weise um euch in dieser besonderen Situation?

Nein leider gar nicht. Mein Mann hatte mehrfach um Hilfe gebeten und es wurde jedes Mal ausdrücklich gesagt, dass es nicht ihr Problem sei, was mit der Familiensituation des Arbeitnehmers so ist.

Seine direkten Chefs würden vermutlich schon etwas tun wollen, aber die Personalabteilung nicht. Und damit sind denen die Hände gebunden. 

e/m: Was sind eure Pläne?

Wir haben über 5 Ecken erfahren, dass mittlerweile wieder ein paar Deutsche mit L1-Visum einreisen konnten. Mein Mann versucht, eine Erlaubnis zu bekommen von den Behörden, mit der er wieder zurückreisen kann, sodass er uns wenigstens besuchen könnte. 

Wir selbst haben uns schon mehrfach ans Konsulat gewandt, aber uns wurde immer nur gesagt, wir hätten nicht das richtige Visum für die Einreise. Warum genau unseres nicht dazu zählt, wollte uns leider keiner beantworten. Wir müssen also wohl leider weiter warten und hoffen. 

e/m: Liebe Jessica, vielen lieben Dank, dass du dir so viel Zeit genommen und dein Datenvolumen in meine Fragen investiert hast. Ich wünsche deiner Familie, dass ihr bald wieder vereint seid. Ich würde mich sehr freuen, wenn du mich auf dem Laufenden hältst. Bleibt stark!

 

Möchtest du auch deine Geschichte erzählen? Dann freue ich mich, wenn du mir schreibst.

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