Jede Mama möchte alles richtig machen. Und wenn die Kinder unter dem von uns „verschuldeten“ Umzug ins Ausland leiden, dann erst recht. Wir ziehen uns jeden Schuh an: sei es das Heimweh der Kinder, ihre Einsamkeit in der ersten Zeit, ihre Schulschwierigkeiten, Probleme mit dem Essen, dem Wetter, den Menschen. Und es ist richtig und wichtig, dass wir da sind, zuhören und trösten. Aber es ist auch wichtig, dass wir Verantwortung abgeben, loslassen und uns gegenseitig unter die Arme greifen. Denn bei manchen Themen hilft es auch, wenn Mama nicht Teil der Lösung ist. Ich denke da nur an meine eigenen zeternden Sprösslinge, die am Skihang nicht nur Ski, Abhang und Nebel verfluchen, sondern auch die schreckliche Mutter, die natürlich an ALLEM schuld hat. Und dieselben Kinder rappeln sich eine Minute später beim Anblick des Skilehrers klaglos auf und düsen los. Mut zur Lücke also – auch bei Third Culture Kids.
Loslassen – Oder: Warum unsere Mutter-Rolle nicht Überhand nehmen darf
Ein Gastbeitrag von Ann Wöste
Zu jedem Third Culture Kid gehören auch Eltern. Das klingt erstmal banal, aber der Umzug in Ausland verändert auch die Rolle der Eltern und ganz besonders unsere Rolle als Mütter, ohne dass es uns im Voraus wirklich bewusst ist.
Waren viele Frauen in Deutschland noch berufstätig, konzentriert sich im Ausland nun unsere Energie auf die Kinder. Wir wollen unsere Mutterrolle gerade jetzt besonders gut ausfüllen. Das ist zwar einerseits hilfreich, weil der Nachwuchs vor allem in der schwierigen Phase des Übergangs viel Einfühlungsvermögen und Unterstützung benötigt, aber es kann auch Probleme mit der eigenen Identität schaffen. Es entsteht ein immenser innerer Druck, vor allem, wenn wir den Anspruch haben, Oma und Opa und oft auch den lange und hart arbeitenden Vater gleich mit ersetzen zu wollen. Viele Familienväter verbringen viel Zeit auf Dienstreisen und fallen deshalb als Unterstützung häufig aus. Außerdem sind sie in der Anfangszeit in ihrem neuen Job ebenfalls einem großen Druck ausgesetzt, sich schnell einarbeiten zu müssen und Kollegen und ausländische Partner bei langen Abendessen besser kennenzulernen.
Fluch und Segen von Expat-Communities
Aber wer Kinder hat, weiß, dass sie einem die zusätzlichen Anstrengungen nicht immer danken und nicht immer so „funktionieren“, wie wir es uns wünschen. Die Krux an Expat-Communities ist oft ein sehr enges Miteinander. Das ist schön, wenn man sich gegenseitig unterstützt und gemeinsam Aktivitäten für die Kinder anbietet, aber weniger schön, wenn sich die kleinen privaten Dramen vor den Augen Aller abspielen. Da können sich schon mal Gedanken einschleichen, als Mutter alles falsch zu machen, was besonders bitter ist, wenn die eigene Identität gerade sehr auf die Mutterrolle reduziert ist. Probleme erscheinen plötzlich viel größer als sie sind, da sich gefühlt alles darum dreht. Wir neigen dann dazu, die Anstrengungen zu verdoppeln (es läuft ja nicht so wie gedacht), da wir uns wie in einer Prüfungssituation beobachtet fühlen und meinen, unsere Leistung reiche noch nicht.
Doch ein „Mehr desselben“ tut selten gut. Meiner Erfahrung nach hilft es, loszulassen und die Verantwortung zu teilen:
Wenn ihr in einer Expat-Gemeinde lebt, nutzt auch die positive Seite der Gemeinschaft und klagt euch euer Leid. Niemand wird euch besser verstehen, als eine andere Mutter in der gleichen Situation. Es ist erstaunlich wie viele „Ja, mir ging es damals ganz genauso“ man dann plötzlich zu hören bekommt, und das erleichtert ungemein. (Und wenn ihr keine anderen Expatmamas vor Ort habt, dann könnt ihr euch online in der Expatmamas-Facebook-Gruppe austauschen – Anm. d.Red.)
Holt euch Unterstützung
Baut euch langsam ein „Support-System“ wieder auf. Wenn es in der Schule nicht rund läuft und es zu Hause Spannungen gibt, tauscht die Kinder bei der täglichen Hausaufgabenbetreuung, oder bittet eine Nachbarin ohne Kinder oder mit bereits erwachsenen Kindern, euch bei der Vorbereitung für einen Test oder Vokabelabfragen zu entlasten.
Bietet eine Nachmittagsaktivität für jüngere Kinder an, wie beispielsweise eine Krabbelgruppe, Flötenunterricht oder Basteln, je nachdem wo eure Fähigkeiten und Interessen liegen, und gebt dafür an ein oder zwei Nachmittagen euer Kind zum Kinderturnen oder Chor in die Obhut einer anderen engagierten Mutter. Es gibt jede Menge Raum für gute Ideen innerhalb einer Expatgemeinschaft.
Und überlegt euch auch, was ihr für euch tun könnt – beruflich oder persönlich. So ein Auslandaufenthalt bietet die Möglichkeit völlig neue Erfahrungen zu machen, die zu Hause so nicht möglich wären. Ich hatte z.B. die Gelegenheit, in Shanghai regelmäßig ein Kinderheim zu besuchen und dort mit den Kindern zu spielen, sie zu füttern und einfach ihren Alltag etwas kennenzulernen. Außerdem habe ich in Changchun in einer Schule für Kinder von Wanderarbeitern einen Englischkurs angeboten. Es war sehr ungewohnt, wenn man auf eine Frage gleich von 56 Mündern auf einmal eine Antwort entgegengebrüllt bekam! Und manche machen einfach das, was sie immer schon mal ausprobieren wollten. Eine Freundin hat Klavierunterricht genommen, eine andere Quigong gelernt, und ich habe mir endlich zeigen lassen, wie man Socken strickt…
Uns allen hat die Beschäftigung mit etwas anderem als ausschließlich dem Wohl unserer Kinder gut getan. Es war ein wertvolles Gegengewicht zum nicht immer einfachen Elternsein im Ausland und hat unseren Kindern ebenfalls Raum gegeben, sich zu entfalten, weil sie nicht ständig unseren fürsorglichen Blicken ausgesetzt waren.
Ann Wöste ist zertifizierter Schema- und Hypno-Coach. Das Thema, sich auch als globale Nomaden zu Hause fühlen zu dürfen, liegt ihr sehr am Herzen. „Überall zu Hause“ heißt deshalb ihr Coaching-Angebot für Expat-Partner und Third Culture Kids. Im November beendet sie ihre Weiterbildung in Köln beim IPE (Institut für Potentialentfaltung) zum Kinder- und Jugendcoach, um künftig mit minderjährigen TCKs arbeiten zu können.