Expat-Leben

Wer wagt, gewinnt

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Wenn ich anderen Expatmamas im echten Leben begegne und nicht nur virtuell, blitzen im Gespräch immer wieder Geschichten auf, von denen ich denke: Das muss mal auf dem Blog erzählt werden! Als ich Rebekka vor Weihnachten beim Expatmamas Tea&Talk traf, war so ein Moment. Für ihren Umzug nach China hat sie alles auf eine Karte gesetzt und gewonnen! Eine Geschichte von der schicksalhaften Verspätung eines Visums und einer kurzentschlossenen Frau! Ich freue mich, dass Rebekka sich Zeit genommen hat, euch diese Geschichte heute zu erzählen.

e/m: Liebe Rebekka, Du bist 2014 nach Peking gegangen. Und zwar nicht als begleitende Partnerin sondern mit einem eigenen Arbeitsvertrag. Wie kam es dazu?

R: Ja, das ist wirklich eine gute Frage, denn wie es dazu kam, ist eine ganz abenteuerliche Geschichte. Als mein Mann und ich uns kennenlernten, war für ihn der Vertrag schon unterschrieben und klar, dass er demnächst nach China ausreisen würde. Eigentlich haben wir uns auch nur noch getroffen, weil sein Visum noch nicht wie geplant da war und sich seine Ausreise so um ein paar Wochen verschob. Da ich zuvor schon zweimal in Peking war und diese Stadt liebe, war für mich klar, dass ich meinen Partner so oft es geht besuchen würde. Das erste Mal flog ich ihn bereits drei Wochen nach seiner Ausreise rüber. Die Frage, ob eine solch frische Beziehung unter diesen Bedingungen von langer Dauer sein kann, brachte mich auf die Idee, selbst nach einem Job in Peking zu suchen und wenn es so sein sollte, nachzureisen….wer nicht wagt, der nicht gewinnt, dachte ich mir!

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Skyline von Peking

Ich bewarb mich einfach als Lehrerin an zwei Schulen in Peking und dachte mir: „Wenn es so sein soll, dann nehmen sie dich und dann musst du diese Chance ergreifen“. Und so kam es, es sollte wohl so sein. Ich bekam eine Zusage und konnte nach dem Schuljahr in Deutschland zum neuen Schuljahr nach Peking gehen. Genau ein halbes Jahr nach meinem Mann reiste ich also völlig unabhängig von ihm nach, denn keiner wusste ja zu diesem Zeitpunkt, ob das alles mit uns beiden so klappt.

Es hat geklappt und es hat sich in jeglicher Hinsicht gelohnt. Ich hatte in Peking die wohl beste, aufregendste und spannendste Zeit meines Lebens, heute sind wir verheiratet und haben zwei Kinder.

e/m: Bei dieser Begeisterung muss ich kaum fragen, wie es dir gefallen hat. Aber was waren für dich die größten Herausforderungen? Vor allem im neuen Arbeitsumfeld?

R: Wie vermutlich alle berichten, die für eine Zeit im Ausland leben, war es auch für mich eine Zeit der Extreme, eine Achterbahn der Gefühle, ein Leben auf der Überholspur. Eine Zeit, die ich nicht missen möchte, die einen prägt und eine Erfahrung, die ich nur jedem ans Herz legen kann, der die Möglichkeit hat. Natürlich war nicht immer alles toll und oft hatte ich vor allem in der Anfangszeit schreckliches Heimweh. Der Job war anfangs eine große Herausforderung. Auch bedingt durch die weiten Anfahrtswege waren die Tage richtig lang und anstrengend. Bei der Arbeit an einer internationalen Privatschule, an der ein Schulplatz richtig viel Geld kostet, die in einem Konkurrenzkampf mit anderen Schulen steht, den Anspruch hat, die beste Schule in Peking zu sein und „Kundschaft“ anwerben möchte, werden plötzlich ganz andere Anforderungen an einen gestellt. Man ist Dienstleister; Öffentlichkeitsarbeit und Werbung spielen eine wichtige Rolle und man hat dafür zu sorgen, dass die „Kundschaft“ glücklich und zufrieden ist. Manchmal ein ganz schöner Spagat und Balanceakt. Und dann noch alles auf Englisch.

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Die chinesische Mauer

e/m: Wie änderte sich euer Leben in China durch die Geburt eurer Tochter?

R: Als unsere Tochter auf die Welt kam, war ich gut zwei Jahre in Peking, mein Mann ein halbes Jahr länger. Während dieser Zeit waren wir viel unterwegs gewesen, waren viel gereist und hatten Peking, China und viele andere Länder in Asien kennenlernen dürfen. Am Wochenende waren wir immer, wenn die Luft und das Wetter es zuließen, in den Bergen vor Peking zum Radfahren, das war einfach sensationell! Das Leben in der Großstadt haben wir in vollen Zügen genossen und ausgekostet. Eine solche Stadt ist einfach so facettenreich, voller Leben und unbegrenzter Möglichkeiten, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Heute sage ich, die Zeit war einfach viel zu kurz und meine „To do-Liste“ für Peking ist immer noch lang.

Natürlich ändert sich diese Flexibilität schlagartig, wenn ein Kind ins Spiel kommt. Urlaubsziele werden nach anderen Kriterien ausgewählt und anstatt abends ins Restaurant um die Ecke zu gehen, von denen es massenhaft gibt, bestellt man sich das Essen nach Hause.

Neben allen Veränderungen, die ein Kind generell so mit sich bringt, kommt in Peking auch noch der Faktor „Luftverschmutzung“ hinzu.

Für die aktuellen Luftwerte hat man eine APP und ab einem bestimmten Wert verlässt man die Wohnung mit einem Baby nicht mehr. Wenn’s dumm läuft, sitzt man auch mal mehrere Tage hintereinander in der Wohnung, das empfand ich als echte Einschränkung. Ansonsten gibt es in Peking eigentlich alles an Unterstützung für das Leben mit Baby und Kind, was man sich vorstellen kann: Babysitter, Haushälterin, Mutter-Kind-Gruppen, usw.
Da unsere Tochter sehr pflegeleicht ist, haben wir sie auch oft einfach zu Aktivitäten, Veranstaltungen, usw. mitgenommen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Chinesen gegenüber Kindern viel offener und herzlicher reagieren.

Zum Beispiel waren wir einmal abends essen, da hat sich eine Bedienung einfach um unsere Tochter gekümmert und wir konnten in Ruhe unser Essen genießen. Auch wenn ich tagsüber mal zur Maniküre ging (das macht man in Peking halt so), habe ich unsere Tochter mitgenommen, irgendjemand hat sich immer gefunden, der sie unterhält.

e/m: Wann fiel die Entscheidung nach Deutschland zurückzugehen?

R: Wir fanden das Leben mit einem Baby in Peking aufgrund der Luftverschmutzung nicht ganz ideal und ich habe mich dadurch wirklich etwas eingeschränkt gefühlt. Deshalb haben wir, als klar war, dass ich schwanger bin, bereits geplant, den Vertrag meines Mannes nicht zu verlängern. Zu Hause warteten natürlich auch die Großeltern und Tanten sehnsüchtig auf ihr erstes und (damals) einziges Enkelkind. Da haben wir nicht übers Herz gebracht zu sagen, wir bleiben noch länger. Sonst wären wir sicherlich noch geblieben.

e/m: Wie hast du deine Schwangerschaft und die Entbindung in China empfunden?

R: Ich habe ja inzwischen eine Schwangerschaft und Geburt in Peking und eine in Deutschland erlebt.

Würde ich ein drittes Kind bekommen und dürfte mir wünschen, wo es zur Welt käme, würde ich mich für Peking entscheiden.

Vorweg muss ich sagen, dass bei mir die Schwangerschaft völlig problemlos verlief. Die Schwangerschaft in Peking habe ich als sehr angenehm empfunden. Hier in Deutschland hast du erstmal ein riesiges Gerenne, sobald du erfährst, dass du schwanger bist: Suche nach einer Hebamme, Kita Anmeldung, Anmeldung zum Geburtsvorbereitungskurs, etc. Das ist in Peking ganz einfach, weil es das alles gar nicht gibt. So habe ich mir während der Schwangerschaft eigentlich nicht um arg viel einen Kopf gemacht.

Der Haushalt wird in China meist von den so genannten „Ayis“ erledigt und die Wohnung wird auch geputzt. Die medizinische Versorgung findet für gut versicherte Expats in einer internationalen Privatklinik statt, in der man sich rundum aufgehoben und top versorgt und unterstützt fühlt.

Die einzige Sache, die uns wirklich lange Kopfzerbrechen bereitete, war die Frage, wie wir in die Klinik kommen, wenn es schnell gehen muss und Rushhour ist oder es regnet (dann seht in Peking nämlich auf den Straßen auch alles still).

Was, wenn mein Mann im Geschäft ist oder ich irgendwo in der Stadt unterwegs? Wer schon etwas Ahnung von Peking hat, der weiß vielleicht auch, dass der Verkehr wirklich schlimm ist und man auch mal so richtig stundenlang feststecken kann, ohne auch nur ein paar Zentimeter vom Fleck zu kommen.

Krankenwagen ist keine Option, denn den muss man erstmal rufen können (Sprache) und auch der muss durch den Verkehr kommen, das ist nicht so wie in Deutschland mit Rettungsgasse und so, auch das Martinshorn hat scheinbar keine weitere Bedeutung und Funktion, außer Lärm zu machen und blau zu blinken. So haben wir monatelang sämtliche Wege ausprobiert, Zeiten gestoppt, Pläne geschmiedet, Szenarien durchgespielt, bis hin zu: „Wenn der Verkehr eine totale Katastrophe ist, halte ich einem Rikshafahrer so viel Geld unter die Nase, dass er um sein Leben radelt, um mich möglichst schnell ins Krankenhaus zu bringen.“ Letztendlich war am Ende natürlich alles total unspektakulär und wir fuhren gemütlich abends gegen 23.00 Uhr bei wenig Verkehr in die Klink.

e/m: Du bist als arbeitende Frau ausgereist und als Mama zurückgekommen. Wie hast du die Rückkehr erlebt?

R: Es war eine sehr harte Landung und ist es immer noch. An mein Leben als (derzeit Fulltime) Hausfrau und Mutter in einem schwäbischen Dorf mit all seinen Eigenheiten muss ich mich immer noch wieder gewöhnen, obwohl ich hier eigentlich aufgewachsen bin. Wenn man ein paar Jahre nicht hier war und gesehen hat, wie es auch anders gehen kann, dann fallen einem ja so mache Dinge auf, die man vorher nie in Frage gestellt hat. Einerseits ist es für mich momentan also ein doppelter „Re-entry shock„: von einem fulltime Job zur fulltime Mama und von einer Millionenstadt in ein 8000 Seelen Dorf. Andererseits denke ich, ein ganz klarer cut, wieder ein neuer Lebensabschnitt, den ich manchmal sogar noch als herausfordernder empfinde als das Leben in Peking.  

e/m: Gäbe es Dinge, die du dir anders gewünscht hättest, oder im Nachhinein selbst anders gestaltet hättest?

R: Rückblickend denke ich, dass ich mich viel zu spät mit dem Thema „Rückkehr“ beschäftigt habe, sowohl mental als auch organisatorisch und viel früher mit diversen Vorbereitungen beginnen hätte sollen. Auch ich habe es wirklich unterschätzt, obwohl man immer hört, dass das Ankommen viel schwieriger ist, als das Gehen, jetzt weiß ich es….

Die Wohnungssuche z.B. (für mich eine ganz wichtige Sache) gestaltete sich äußerst schwer und nach zwei Jahren stecken wir immer noch in unserer Wohnung, die eigentlich nur als Übergangslösung zum Ankommen gedacht war, was sicherlich auch nicht dazu beiträgt, hier wieder Fuß zu fassen. Hätten wir früher gewusst, wie schwer es ist, etwas Passendes zu bekommen, wären wir vielleicht doch noch länger geblieben.

Ansonsten bin ich so unendlich froh und dankbar, dass alles so kam und wurde, wie es war. Ein Erlebnis, eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Manchmal, wenn ich hier mal wieder die Krise bekomme, stelle ich mir die Frage, ob es wirklich richtig war, „schon“ zurückzukommen und bereue es. Aber wer weiß, was die Zukunft noch an Chancen und Möglichkeiten mit sich bringt :-).

e/m: Inzwischen bist du zum zweiten Mal Mama geworden. Denkst du schon wieder an eine Rückkehr in den Beruf? Und denkst du, dass deine Zeit in China dabei eine Rolle spielt?

R: Auf jeden Fall möchte ich wieder arbeiten. Geplant ist, spätestens nach Weihnachten wieder einzusteigen. Mit wie vielen Stunden weiß ich noch nicht. Meine Zeit in China spielt insofern eine Rolle, dass ich auch zu meinem beruflichen Umfeld in Deutschland mehr Abstand gewonnen habe während der Zeit im Ausland und auch hier viele neue Erfahrungen sammeln konnte und gesehen habe, wie es auch anders gehen kann. Manche Dinge versuche ich auch hier umzusetzen, was leider aufgrund der Rahmenbedingungen wirklich schwer ist, andere Dinge ärgern mich mehr als zuvor, weil ich sie erst jetzt sehe, wo ich mehr Abstand gewonnen habe.

e/m: Liebe Rebekka, vielen Dank für deine Einblicke! Ich wünsche dir alles Gute und freue mich, wenn wir uns hoffentlich bald beim nächsten Expatmamas Tea& Talk sehen!

R: Sehr gerne! Ich freue mich auch auf das nächste Treffen :-)

Unser nächstes Tea&Talk-Event findet am 13. April in Stuttgart statt. Tickets gibts es ab sofort über Eventbrite hier. Gerne weitersagen!

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