Ein Gastbeitrag von Antje Döhring
Da ich mein Leben als Expat in diesem Monat beenden werde (wobei: Man denke an James Bond: „Never say never“ …), möchte ich noch ein paar Zeilen darüber verlieren. Also ein Wort an alle diejenigen, die vielleicht mit dem Gedanken spielen – oder bereits einen Termin haben – erstmals als Expat für längere Zeit fern der Heimat zu leben und zu arbeiten. Zumeist ist es ja so, dass bei Paaren und Familien einer die Entsendung ins Gastland erhält – und der Partner als „trailing spouse“ mitzieht. Das ist immer noch in den meisten Fällen die Frau.
Und viele dieser „mitreisenden Ehefrauen“ in spe haben, stellte ich häufig fest, EINE große Angst: ‚Kann ich dort meine berufliche Karriere fortsetzen?‘
Viele wünschen sich quasi den gleichen Arbeitsplatz wie daheim, mit gleichem Gehalt (gut, vor einem besseren schreckten sicher wenige zurück) und den gleichen „Aufstiegschancen“.
„Mitreisende Ehefrau“
Die Gegenfrage müsste lauten: Ist das wirklich immer wünschenswert? Es gibt einige Berufe, wo dies sicher durchaus im Gastland möglich ist. Und wo das Schulsystem (so man auch an Kinder zu denken hat) ganztägig ausgelegt ist oder man nachmittags eine Nanny engagieren kann. Nur: Nicht überall gehen alle Auslandsschulen bis spät in den Nachmittag, und nicht jeder kann sich mit einer Nanny anfreunden, die dann mit in der Familie wohnt. Oft wird dem „mitreisenden Ehepartner“ jedoch auch gar kein Visum mit Arbeitserlaubnis ausgestellt.
Ich möchte diesen zweifelnden „mitreisenden Ehepartnern“ Mut zusprechen, und dies durchaus ganz aus meiner eigenen Erfahrung heraus.
Ich hatte in Deutschland einen prima Beruf. Doch in jedem meiner bisher vier Gastländer habe ich einen oder mehrere, oft völlig „artfremde“ Tätigkeiten ausgeübt. Und ich muss sagen: Ich würde es heute gar nicht mehr anders haben wollen! Die Einblicke in ganz andere Berufsfelder und Arbeitswelten haben mich, nach einiger Einarbeitungszeit, ungemein bereichert. Ich habe Dinge kennengelernt, von denen ich sonst sicher heute keine Ahnung hätte!
Auch durfte ich immer wieder feststellen, dass gerade jungen Müttern im Ausland viel mehr Familienfreundlichkeit entgegengebracht wird, als es in Europa denkbar wäre. Ich habe es mehr als einmal erlebt, dass ich eine angebotene Vollzeitstelle schon, leise bedauernd, ablehnen wollte, weil der Kindergarten, die Schule mittags schloss. Und was sagte der künftige Chef dann an dieser Stelle: „Oh, na wenn das so ist? Wenn die Schule nun mal mittags zumacht, dann versuchen wir mal, ob wir das nicht auch mit einer Halbtagsstelle hinbekommen!“ Und – inklusive etwas Heimarbeit am PC – haben wir es dann auch immer hinbekommen.
„Was machst du denn dort den ganzen Tag, immer zu Hause?“
Selbst für den Fall, dass man im Gastland nicht so leicht eine bezahlte und dazu auch noch familienkompatible berufliche Tätigkeit finden sollte: Es gibt so viel mehr Möglichkeiten! Normalerweise reicht bei einer Entsendung dieses Gehalt für zwei oder mehr Personen durchaus aus. Ich habe in den vergangenen fast 20 Jahren des Reiselebens viele bemerkenswerte Frauen kennengelernt, die sich auch – oder sogar gerade? – ohne Erwerbstätigkeit hervorragend selbst entwickelt haben!
Frauen, welche zu interessanten, anregenden Gesprächspartnern (und auch: klugen Müttern!) geworden sind, weil sie „etwas aus sich gemacht“ haben. Seien es wichtige ehrenamtliche Bereiche im Entsendungsort, die oft ohne solche engagierten Frauen brach lägen. Sei es durch das Eintauchen in die neue Sprache, das auch wiederum neue soziale Kontakte und damit Horizonterweiterungen mit sich brachte. Seien es Fernstudienabschlüsse, die gemacht oder bestimmte Kurse am Gastort, welche absolviert wurden und hie oder da auch künftig neue berufliche Möglichkeiten (sogar im Herkunftsland?) mit sich bringen.
Seien es Frauen (bzw. mitreisende Männer, auch die gibt es ja), die sich auf ihre Stärken besonnen haben und in die Selbstständigkeit gestartet sind – im ehemals gelernten oder auch im neu entdeckten Arbeitsfeld, im kleinen oder auch großen Rahmen. Nicht unterbewerten sollte man sicher auch die Zeit, die viele durch die „Freiheit vom Geldverdienenmüssen“ bekamen, um sich in neuen Hobbies, Wissensbereichen oder auch Sport, Kultur und Literatur auszuprobieren, sich ständig weiterzuentwickeln, den Geist wie bei einem guten „Stretching“ nach dem Sport zu dehnen und zu erweitern.
Bereicherung nicht Lücke
Wer immer noch Bedenken hat, wie sich solch eine „Lücke“ im Lebenslauf bei Bewerbungen in der Zukunft wohl ausnehmen mag: Es sei nicht verschwiegen, dass beim Organisieren des Lebens am neuen Einsatzort in einer fremden Kultur das meiste nun mal am „trailing spouse“ hängenbleibt. Einfach, weil der Entsendete oft happige Arbeitszeiten und oft dazu noch Dienstreisen zu bewältigen hat und dadurch fürs „Alltägliche“ gar nicht bereitsteht.
Sich in einer fremden Umgebung überhaupt erst einmal zurechtzufinden, sodass der Kühlschrank stets annehmbar gefüllt ist (wo kann ich was kaufen?), bei technischen Problemen im Haus Hilfe kommt (die Suche nach geeigneten Handwerkern bzw. das Prozedere, bis das Problem dann auch tatsächlich behoben ist, kann in manchen Weltgegenden durchaus ein Tage füllendes Programm werden!), man einen kundigen Arzt gefunden hat und auch ein paar Sozialkontakte geknüpft – all das sind Dinge, für die man zwar nachher keinen Orden und auch keine Gehaltserhöhung bekommt. Die aber essentiell sind, damit das Leben im fremden Land gelingt.
Wer also später einmal so eine „Lücke“ in der CV erklären muss: Es ist oft ein „Job an und für sich“ mit vielseitigen Managererfordernissen unter erschwerten Bedingungen! Wer das hinbekommt, können Sie ihrem Chef in spe sagen, der ist wohl auch handelsüblichen, zentraleuropäischen Problemchen auf Arbeit gewachsen.
Was mich in der Zeit in den Emiraten bereichert hat:
- Ich habe ein Buch veröffentlicht, vieles über Publikation, PR, Drucklegung gelernt. Die Übersetzung des ersten Buchs ins Englische angeschoben, ein weiteres Manuskript fertiggestellt und Ideen für weitere im Kopf. Außerdem konnte ich meine ersten Autorenlesungen halten.
- Ich habe einen postgradualen Abschluss als Sprachlehrerin für Erwachsene absolviert und so im Unterricht meine eigene Muttersprache mal mit den Augen von Deutsch-Schülern betrachtet.
- Ich habe wieder einmal meinen Horizont erweitert und u.a. festgestellt: ‚Monarchie‘ ist nicht unbedingt und per se muffig-gestrig und ausbeuterisch. Genauso, wie ‚Demokratie‘ nicht zwingend progressiv und zukunftsweisend sein muss. Das sind alles nur Begriffe. Entscheidend ist nicht der „-ismus“, sondern das, was er mit seinen Einwohnern macht. Nicht die „Aufschrift“ auf dem Kästchen zählt – man muss es schon aufmachen und hineinsehen, um festzustellen, was sich wirklich dahinter verbirgt.
- Ich habe Spaß – und gehörig schweißtreibendes Fitnesstraining! – gehabt, indem ich Zumba- und Bauchtanzkurse mitgemacht habe. Und zwar „kann“ ich sicher nun nicht wirklich Klavierspielen, aber nach gut vier Jahren Unterricht hier zumindest einiges erkennbar musizieren. Außerdem habe ich endlich mal „richtig“ tanzen gelernt – Standard und Latein querbeet (wobei: fertig ist man ja nie). Außerdem wieder unzählige Bücher gelesen….
- Und nicht zuletzt habe ich so viele großartige Menschen kennengelernt – und mit ihnen wieder viele kleine Stückchen mehr von der „Welt“ im Großen und Kleinen kennenlernen und begreifen dürfen.
Gewinn, der sich nicht mit Geld bezahlen lässt
Sicher ist kein Leben mit dem anderen vergleichbar. Noch viel weniger eines, das sich teilweise vielleicht auf einem oder gar mehreren anderen Kontinent abgespielt hat. Ich kann also am Ende nur für mich sprechen.
Auch wenn dieses Leben als „Expat“ nicht immer einfach ist, einen sehr fordert, anstrengt, … : Ich bin froh und dankbar, dass ich diese Erfahrungen ‚einsacken‘ durfte; ich würde es immer wieder genauso machen!
Es gibt nicht nur einen Weg
Eines nämlich habe ich lernen dürfen – und ich weiß, dass dies auch unsere Kinder ganz automatisch so mitbekommen haben – : Dass es NIEMALS nur eine Art und Weise gibt, jegliche Sache zu betrachten, anzugehen, zu behandeln. Die Welt ist vielfältig und hat für alle möglichen Probleme und Erscheinungen eben auch unterschiedliche Arten, damit umzugehen. Und das ohne, dass die eine oder andere Weise „besser“ wäre (höchstens auf die jeweilige Umwelt bezogen und abgestimmt). Genauso, wie Menschen viele Hautfarben, Sprachen, Kulturen haben, genauso variantenreiche sind ihre Essgewohnheiten, ihre religiösen Gebräuche, ihre Kindererziehung, die Gestaltung der Arbeitswert, das soziale Miteinander, … Dies alles existiert nebeneinander und könnte mehr oder minder auch harmonisch nebeneinander existieren, wenn nicht immer wieder Menschen sich dazu aufschwingen würden, „ihren“ schmalen Ausschnitt an Weltsicht allen anderen als „einzig wahr und richtig“ überstülpen zu wollen.
Dass es jedenfalls MÖGLICH ist, die Vielfalt der Menschen friedlich zu vereinen, habe ich in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit seiner „Schmelztiegel“-Zusammensetzung erleben dürfen und werde es stets als Beispiel im Herzen bewahren.
Antje Döhring ist studierte Journalistin und hat mit ihrer Familie lange Jahre im Ausland gelebt. Zunächst in Saudi-Arabien, dann Indien, Libyen und zuletzt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dieser Beitrag erschien im Original auf Antjes Blog „Buchstaben wie Sand am (Wüsten-)Meer“.