Expat-Leben

Expat-Leben: Wenn Expatmamas studieren

Die Auslandszeit für sich zu nutzen, ist eine Frage, vor der viele Expatmamas stehen. Eine der Optionen (ja, es gibt mehr, als es den Anschein haben mag) ist ein Fernstudium. Zwei der Expatmamas, die diesen Weg eingeschlagen haben, berichten euch heute von ihren Erfahrungen nach dem ersten „Auslandssemester“ und sie haben den ein oder anderen Tipp bzw. Link für euch.
Melissa lebt seit August 2016 in Puebla/Mexiko und studiert Präventions- und Gesundheitspsychologie an der SRH Heidelberg.
Jana lebt seit März 2015 in Ann Arbor/USA und studiert an der FernUni Hagen Politikwissenschaft.

Die Auslandszeit für ein Fernstudium nutzen – Interview

e/m: Liebe Melissa, liebe Jana, ich finde es ganz toll, dass ihr trotz der knappen Zeit jetzt zu Semesterende von euren Erfahrungen erzählt. Bevor wir aber von eurem Studium sprechen, würde mich sehr interessieren, was ihr beruflich vor eurer Expatzeit gemacht habt?

Melissa: Nach meinem Studium der sozialen Arbeit habe ich als Teamleiterin in einer Einrichtung der Behindertenhilfe gearbeitet. Aber: der Ton im sozialen Bereich wird rauer und ich wurde zunehmend unzufriedener mit meiner Arbeitssituation. Ich hatte immer mehr das Gefühl, dass ich durch meine Rolle als Teamleitung die unsozialen Arbeitsbedingungen quasi legitimiere. Schließlich konnte ich das nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren und kündigte. Fast zeitgleich bekam mein Mann die Anfrage, ob er für 18 Monate nach Mexiko gehen könnte. Da es bei mir gerade beruflich „passte“ und auch unsere Tochter sich das vorstellen konnte, haben wir uns spontan dafür entschieden.

Jana: Ich war lange Zeit Flugbegleiterin bei der Lufthansa. Da wir in der Schweiz gewohnt haben, musste ich mit dem Flugzeug nach München pendeln, um zu arbeiten, was mit einem nicht zu unterschätzenden organisatorischen Aufwand verbunden war. Als unsere Tochter in die Vorschule kam und das zweite Kind unterwegs war, wurde die Situation zunehmend stressiger. In der Elternzeit wurde mir dann klar, dass ich die Fliegerei unserem Familienleben zuliebe an den Nagel hängen werde. Ich habe später bei einer Sprachschule eine Weiterbildung zur Deutschlehrerin (Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache) gemacht und fortan Sprachunterricht gegeben. Die Sprachschule, für die ich im Freelance gearbeitet habe, konnte einen großen Vertrag mit einer amerikanischen Firma an Land ziehen, so dass ich nun hauptsächlich dafür verantwortlich war, den Mitarbeitern und Familienangehörigen der Expats die deutsche Sprache und die kulturellen Besonderheiten der Schweiz näher zu bringen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich habe sehr viele interessante Menschen aus der ganzen Welt kennengelernt. Dann bekam mein Mann das Angebot, nach Amerika zu gehen und ich wurde selbst Expat.

e/m: Wie seid ihr dann auf die Idee gekommen, im Ausland ein Fernstudium zu beginnen?

Melissa: Für mich war schnell klar, dass ich die Zeit nutzen möchte, um mich beruflich weiter zu entwickeln. Ich habe in Deutschland schon meinen Bachelor als berufsbegleitendes Onlinestudium absolviert (Basa-online an der HS Wiesbaden), daher habe ich Vergleichsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Onlineangeboten, habe aber eigentlich keine Ahnung wie „richtiges“ Studentenleben funktioniert. Ich machte mich also auf die Suche nach einem Master, den man online studieren kann.

Jana: Ich habe schon vor unserer Entsendung angefangen an der FernUni Hagen Politikwissenschaft, Verwaltung und Soziologie zu studieren. Damals war ich noch mit meinem Sohn in Elternzeit. Aber mit Job, zwei noch recht kleinen Kindern und den nicht besonders arbeitsfreundlichen Schul- und Kindergartenöffnungszeiten in der Schweiz war das nicht ganz einfach und mir fehlte oft die Zeit und auch die Motivation zum Lernen. Etwa ein Jahr vor unserem Umzug in die USA habe ich das Studium abgebrochen. Hier in den Staaten war die Ausgangslage dann wieder eine ganz andere.

Als das Haus eingerichtet war, die Kinder sich zurechtfanden und der anfängliche Papierkram erledigt war, hatte ich plötzlich tagsüber freie Zeit, die ich unbedingt nutzen wollte, um mich weiterzubilden. Mir war allerdings noch nicht ganz klar in welcher Form.

Welche Uni ist die Beste?

e/m: Nach welchen Kriterien habt ihr eure Uni-Wahl getroffen?

Melissa: Mir war wichtig, dass es möglichst wenig Präsenzphasen gibt (da gibt es enorme Unterschiede, von einer verpflichtenden Präsenzphase alle zwei Wochen bis zu einer freiwilligen Präsenzphase im Semester) und dass der Abschluss staatlich anerkannt ist. Außerdem sollte er maximal 4 Semester dauern. Ich versuchte, heraus zu finden, wie zufrieden andere Studierende mit dem Angebot sind, aber da gingen die Meinungen weit auseinander, so dass mir das nur bedingt weiter geholfen hat.
Mit den genannten Bedingungen war die Auswahl gar nicht mal mehr so groß und ich entschied mich für den Master „Präventions- und Gesundheitspsychologie“ an der SRH Heidelberg. Gut daran fand ich, dass ich in Deutschland in der Nähe von Heidelberg lebe, so dass ich während der Präsenzphasen in unserer Wohnung leben kann. Zu dem kenne ich einige Menschen, die an der SRH Heidelberg studiert haben und zufrieden waren. Es gibt im übrigen nur eine Präsenzphase im Semester.

Jana: Ich habe mir zuerst Studienmöglichkeiten vor Ort angeschaut. Da Ann Arbor eine Universitätsstadt ist und die University of Michigan erst kürzlich zur besten staatlichen Universität des Landes gewählt worden ist, habe ich mir deren Studienangebot natürlich angeschaut. Die Kosten hätten sich allerdings auf mehrere 10 000 US$ belaufen und das war mir dann doch zu viel.
Unter den verschiedenen deutschen und internationalen Online-Angeboten kam ich schließlich wieder auf die FernUni Hagen zurück. Sie ist die einzige staatliche Fernuniversität im deutschen Sprachraum, verfügt über mittlerweile 40 Jahre  Erfahrung in der Fernlehre und ist mit 77 000 eingeschriebenen Studenten die größte Universität Deutschlands. Damit sind alle Abschlüsse der FernUni staatlich anerkannt, was das wichtigste Kriterium für mich war. Für meinen Abschluss benötige ich nur zwei Präsenzseminare. Eins davon kann ich sogar online als Live-Veranstaltung belegen. Die Modulprüfungen kann ich vor Ort an einer deutschen Schule, die dem Goethe-Institut angeschlossen ist, schreiben. Damit fallen auch keine Reiskosten an und ich muss für meine Kinder keine Betreuung organisieren.
Zusätzlich hat mir die FernUni alle bisherigen Studienleistungen anerkannt, so dass ich dort weitermachen kann, wo ich vor ein paar Jahren aufgehört habe.

Ein staatlich anerkannter Abschluss und möglichst wenige Präsenzveranstaltungen waren für euch beide also die wichtigsten Auswahlkriterien.

Herausforderungen

e/m: Wie war euer erstes Semester?

Melissa: Als das Studium dann begann, war ich erst mal ziemlich erschlagen: Ich bekam kommentarlos eine große Menge an Lehrmaterialien zugeschickt und konnte damit nicht viel anfangen. Im Bachelor bekam ich meine Lehrmaterialien „häppchenweise“ zugeschickt und hatte immer direkt dazu Aufgaben zu lösen. Das fand ich deutlich einfacher, als vor so einem Riesenberg an Material zu sitzen und nur zu wissen, dass im Januar die Prüfung ist. Ich habe es einige Male bereut, das Studium angefangen zu haben und war überzeugt, es nicht schaffen zu können. Aber ich wollte es wenigstens schriftlich haben. Ich nahm mir also vor, wenigstens die Prüfungsphase im Januar abzuwarten.

e/m: Und wie hast du das Problem gelöst?

Melissa: Ich suchte mir erst mal Kontakt zu den Mitleidenden und fand eine Whatsapp-Gruppe. Aber außer zu sehen, dass die anderen genauso leiden, hat mir das nicht so viel geholfen. Viel mehr haben mir zwei direkte Kontakte geholfen. Eine aus dem ersten Semester, mit ihr habe ich jeden zweiten Tage geskypt, wir haben uns gegenseitig abgefragt. Außerdem eine Studentin aus dem zweiten Semester, die mir immer wieder Mut gemacht hat und mir erzählt hat, wie sie sich vorbereitet hat. Außerdem hat sie mich daran erinnert, dass wir (gut) zahlende Kunden des Anbieters sind und bevor ich aufgebe, soll ich mich doch mit den Studiengangsverantwortlichen in Verbindung setzen. Sie wären gerne bereit, mit mir zusammen nach Lösungen zu suchen. Diese Möglichkeit habe ich im Hinterkopf behalten, aber erst mal nicht genutzt. Ich habe mich also durch die Flut an Informationen gearbeitet.

Jana: Das Pensum ist auch mein größtes Problem. Im Oktober erhielt ich kurz vor Semesterbeginn alle Studienbriefe auf einmal und einen Zugang zum Onlinecampus – dort kann man sich mit Kommilitonen und Studiengangsbetreuern austauschen, Fragen stellen und Lerngruppen bilden. Ich fing voller Elan an zu lesen, musste allerdings schnell feststellen, dass mein Lernpensum, das ich von Teil- auf Vollzeit hochgeschraubt hatte, enorm ist und ich deutlich weniger Zeit zur Verfügung hatte als angenommen.
Wir haben nämlich viel Besuch, seit wir in den USA wohnen, was ich auch immer sehr genieße. Allerdings kostet das auch jede Menge Zeit – Gästezimmer herrichten, Ausflüge planen etc. und dann sind da natürlich lange Gespräche und Wein :-)… schließlich hat man sich ja schon ewig nicht mehr gesehen und viel zu erzählen.
Aber auch ohne Besuch vergeht die Zeit hier wie im Fluge. Meine Nachmittage sind vollgepackt mit den diversen außerschulischen Aktivitäten der Kinder und da wir teilweise erst um acht Uhr abends wieder zurück sind, muss ich an manchen Tagen schon kochen bevor die Kinder aus der Schule kommen und habe dadurch weniger Lernzeit. Dazu kommen „Early Relase Days“, an denen die Kinder schon mittags zuhause sind und „Snow Days“, an denen die Schulen ganz geschlossen bleiben, weil der Schulbus nicht fahren kann.
Ich komme also nie und nimmer auf die angegebenen 40 Wochenstunden, die ich eigentlich benötigen würde, um das Material zu bewältigen.

e/m: Das klingt wirklich herausfordernd. Hast du einen Plan B?

Jana: Ich befinde mich immer noch im Lösungsprozess. Da es für dieses Semester zu spät ist für einen besseren Zeitplan, helfen nur noch rigorose Maßnahmen, d.h. kein Besuch mehr, bis im März die Prüfungen gelaufen sind, geputzt wird nur noch sporadisch, Einkäufe erledigen wir, wenn möglich, am Wochenende und ich lerne jetzt auch abends. Wenn die gewonnene Zeit nicht reichen sollte, schicke ich meinen Mann noch für ein, zwei Wochenenden mit den Kids alleine los

e/m: Sind eure ersten Prüfungen schon gelaufen?

Melissa: Ja. Zu den Prüfungen bin ich nach Deutschland geflogen, ich hätte sie aber auch am Goethe-Institut in Mexiko-Stadt ablegen können, mir war es aber wichtig, möglichst viele Menschen aus meinem Semester kennen zu lernen.

Jana: Nein, bei mir finden sie Anfang März statt.

Eine Zwischenbilanz

e/m: Könnt ihr trotzdem schon eine Bilanz ziehen nach dem ersten Semester?

Melissa: Für ein abschließendes Resümee ist natürlich noch zu früh, da ich nicht mal die Noten habe, aber egal wie es weiter geht, ich habe auf jeden Fall einige interessante Menschen kennen gelernt, die Chance erhalten an meiner beruflichen Situation etwas zu verändern und schon mal erkannt welche Lernstrategien mir nicht weiterhelfen. :-) Das ist doch schon mal ein Anfang, oder?

Jana: Da ich ja schon in der Schweiz mit dem Studium angefangen hatte, ist das nun schon mein viertes Semester. Ich bin auch jetzt noch überzeugt von dieser Form der Weiterbildung und wenn ich meinen Zeitplan optimiert habe, ist das definitiv der richtige Weg für mich, um mich beruflich weiterzuentwickeln und trotzdem für meine Kinder da zu sein.
Ein Fernstudium ist eine tolle Sache, weil man sich orts- und zeitunabhängig um seine Weiterbildung kümmern kann, was gerade für Expatmamas sehr wichtig ist. Sie haben in der Regel kein großes Netzwerk zur Kinderbetreuung zur Verfügung, wollen die Zeit im Ausland aber trotzdem möglichst sinnvoll nutzen.

Zeitmanagement und Selbstdisziplin sind gerade beim Fernstudium, während dem einem niemand über die Schulter schaut und quasi zum Lernen „zwingt“, sehr wichtig. An beidem muss ich definitiv noch arbeiten.

Tipps zum Fernstudium als Expatmama

e/m: Habt ihr du noch Tipps für andere Expatmamas, die mit einem Fernstudium liebäugeln?

Melissa: Es gibt ein paar Links, die ich in der Orientierungsphase recht hilfreich fand: studieren.de bietet einen guten Überblick über mögliche Studiengänge; FernstudiumCheck zeigt die Bewertungen der Fernstudiengänge. Die Stiftung Warentest hat eine Checkliste und die Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen ist auch ein guter Ausgangspunkt.

Jana: Mein Rat: Macht eine genaue Analyse der Zeitfenster, die euch zum Lernen zur Verfügung stehen. Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig es ist, dabei absolut ehrlich mit sich selbst zu sein und Zeit, die für Haushalt und Kinderbetreuung benötigt wird, heraus zurechnen.
Überlegt zuerst, was ihr studieren wollt und vergleicht dann Abschlüsse und Kosten der verschiedenen Anbieter im Internet. Nicht alle Studienfächer sind im Fernstudium belegbar, aber oftmals gibt es Alternativen, die euch auch zum Ziel führen.
Es ist wichtig, einen verlässlichen Anbieter, mit guter Betreuung zu finden, der bei Fragen, die garantiert auftreten werden, schnell und unkompliziert weiterhelfen kann. Bewertungen dazu findet ihr häufig online in diversen Foren oder auf den Facebookseiten der Schulen.
Schaut, dass der Abschluss staatlich anerkannt ist, sonst war eure Mühe womöglich am Ende umsonst und ihr könnt mit eurem hart erkämpften Diplom in der freien Wirtschaft nichts anfangen.
Da ich mich mit den anderen Anbietern nicht so gut auskenne, hier nur ein Link zur FernUni Hagen.

e/m: Herzlichen Dank noch einmal an euch beide! Ich drücke euch sehr die Daumen für eure ersten Prüfungsergebnisse und  wünsche euch viel Erfolg.

Und wer von euch da draußen bildet sich auch online weiter? Wie geht ihr mit dem Lernen vor? Habt ihr Tipps und Tricks für Melissa, Jana und andere Expatmamas? Wir drei freuen uns auf eure Kommentare hier oder auf Facebook.

Autor

Jonna Struwe, freiberufliche Autorin, Bloggerin und Gründerin von Expatmamas.de, dem Portal für Familien im Ausland

1 Kommentar Neues Kommentar hinzufügen

  1. Susan sagt:

    Da ich auch überlege, ein Fernstudium zu beginnen (ich wollte immer schon einen MBA machen), kam das Doppelinterview für mich genau zum rechten Zeitpunkt. Ich hätte nicht gedacht, dass es einen vor so große zeitliche Herausforderungen stellt. Deswegen werde ich mich vermutlich für Teilzeit entscheiden (wenn ich das Fernstudium mache), da ich ja nebenbei auch noch freiberuflich unterwegs bin. Danke an Jana und Melissa für die vielen Hinweise und ehrlichen Einschätzungen.

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