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Expat-Konkurrenz

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Ich liebe meine Expatmamas-Facebook-Gruppe. Das klingt jetzt sehr pathetisch, denn hinter dieser Begeisterung steht etwas ganz Schlichtes und auf den ersten Blick Selbstverständliches: Ich liebe die dort gelebte Expat-Solidarität! Ja, ich bin stolz darauf, dass es uns bislang – trotz 600 Mitgliedern in aller Welt – gelungen ist, nie diese Atmosphäre des gegenseitigen Wohlwollens zu verlieren und uns dabei doch immer auch konstruktiv auszutauschen. Denn im Auslandsalltag gibt es durchaus heftige Expat-Konkurrenz und darum ist diese Solidarität in unserer Gruppe etwas so Wertvolles.

„Expat of the Year“

Mir ist die Expat-Konkurrenz in England selbst begegnet, obwohl wir fernab jeder Expat-Blase gelebt haben, und ich kann sagen, sie kommt sehr subtil daher. Aber die Botschaft, die bei neuen Begegnungen oft mitschwang, war eindeutig: wir waren eher hier; wir wissen Bescheid; wir haben mehr einheimische Freunde/die Kinder kommen besser zurecht/mit der Sprache hab’ ich gar kein Problem/ wir waren schon in x anderen Ländern…. Als wäre das Ganze eine Frage, wer der „bessere“ Expat ist, oder ein Wettbewerb: mehr Länder/mehr Sprachen… Als gäbe es eine Auszeichnung zu gewinnen „Expat of the year“.

Dabei versucht doch jede für sich, mit den Herausforderungen so gut wie möglich klar zu kommen und das Beste aus der Zeit zu machen, oder nicht?

Ein bisschen habe ich mich in solchen Situationen an die klassische Mütterkonkurrenz erinnert gefühlt: Wer meistert das Mama-Leben besser? Mit oder ohne Job? Stillen oder Flasche? Musikalische Früherziehung oder Waldkindergarten? Ideologische Grabenkämpfe ohne Gewinn für niemanden.

Immer, wenn ich das Gefühl hatte, in so einen unterschwelligen Wettbewerb zu geraten, habe ich mich zurückgezogen. Und nicht wenige Expats suchen nach kürzester Zeit im Ausland das Weite, wenn andere Expats auf den Plan treten. Ein Wunder also, dass so eine Gruppe wie die Expatmamas funktioniert? Und woher kommt dann diese Konkurrenz, die auch viele aus der Gruppe in ihrem analogen Leben durchaus kennen?

Zeit der Verunsicherung

Manche sagen, die Expat-Konkurrenz sei ein deutsches Phänomen, dass sie in anderen Expat-Communities nicht erlebt haben. Da kann ich nicht mitreden. Ich bin auch kein Psycho-Analytiker, aber mit etwas Abstand betrachtet, denke ich, dass dieses Konkurrenz-Phänomen ähnlich wie bei frischgebackenen Müttern zu einem guten Teil auf die eigene große Verunsicherung zurückzuführen ist. Wir müssen im neuen Alltag in der Fremde klarkommen, ohne dass wir auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können. Wir haben viele Fragen und sind unsicher, müssen aber ständig Entscheidungen treffen: welcher Wohnort, welcher Kindergarten, welche Schule, welche Ärzte, welche Lebensmittel, welche Wege, welche Hobbies …. Also versuchen sich Expats (wie Neu-Mamas) an anderen zu orientieren und dabei gerät man schnell ins Vergleichen: Warum macht die das so und nicht anders?

Und genauso schnell glaubt man, sich rechtfertigen zu müssen und überflügelt zu werden. Die eine fängt an, ihre persönlichen Entscheidungen als Best-Practice hinzustellen; die andere hört beim leisesten „Wir haben uns für xy entschieden“ schon die Kritik mit heraus. Denn ja: zur Expat-Konkurrenz gehören immer zwei, Sender und Empfänger. Wer mit sich im Reinen ist, der lacht das „Also so geht das nicht, du musst hier xy tun“ einfach weg. Jemand in unserer Gruppe meinte, sie sei in dieser Hinsicht „sozialblind“, sie würde das gar nicht merken, wenn es um das „Größer-, Schneller-, Weiter-Gehabe“ ginge. Vielleicht ruht sie auch einfach in sich selbst und ist deshalb nicht so schnell anfechtbar. Eine Eigenschaft, die sicher hilft.

Ort der Bestätigung

Jetzt darf aber nicht der Eindruck entstehen, im Ausland herrsche allseits Zicken-Krieg. Sicher ist auch die Expatmamas-Gruppe nicht der einzige Ort, an dem die Erfahrenen den Neulingen auf Augenhöhe und ohne Überheblichkeit weiterhelfen. Aber dass diese Gruppe ein solcher Ort geworden ist, das finde ich schon erwähnenswert und dafür arbeite ich auch jeden Tag. Vielleicht ist ein Vorteil der Gruppe, dass sich die Mitglieder über die ganze Welt verteilen und man mit Abstand und damit weniger emotionaler Beteiligung objektiver miteinander umgehen kann. Vielleicht wird so die Bandbreite deutlicher, wie man im Ausland leben kann, mit allen Abstufungen der Integration von 100 Prozent einheimisch bis 100 Prozent in der Expat-Gemeinde verwurzelt. Ohne Wertung. Denn jeder hat andere Bedürfnisse und trifft auf andere Gegebenheiten. Nicht jeder lernt jede Sprache gleich schnell, nicht jede Kultur ist jedem gleich zugänglich. Aber deswegen gibt es noch lange keine besseren oder schlechteren Expats. (Und spätestens wenn man nach Hause kommt, spielt es sowieso keine Rolle mehr, dann kräht nämlich kein Hahn danach. Aber das steht auf einem anderen Blatt.)

Jedenfalls hoffe ich, dass es auch weiter gelingt, Expat-Konkurrenz gar nicht erst aufkommen zu lassen; dass sich jede traut, ihre Zweifel offen zu äußern, weil sie weiß, sie bekommt Rat und Trost und muss nichts darstellen. Denn ob man als Expatmama seine Sache letztendlich gut gemacht hat, bemisst sich nicht an den Wertungen anderer, sondern daran, ob man später auf zufriedene Jahre im Ausland zurückblicken kann. Und für die eigene Zufriedenheit gibt es nur den eigenen Maßstab.

Autor

Jonna Struwe, freiberufliche Autorin, Bloggerin und Gründerin von Expatmamas.de, dem Portal für Familien im Ausland

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