Expat-Leben

Expat-Leben: Der richtige Zeitpunkt

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Wenn man vor der Entscheidung steht, ins Ausland zu gehen, gilt es viele Dinge abzuwägen und nicht immer fällt die Antwort am Ende positiv aus. Manchmal wird man ein Expat-Angebot ablehnen. Von diesem „Nein“ erzählte einer meiner letzten Beiträge („Deal-Maker oder Deal-Breaker„) und eure Reaktionen und Kommentare haben gezeigt, dass ein Kriterium für eure Entscheidung „Expat oder nicht“ besonders wichtig war: der richtige Zeitpunkt.

Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, ins Ausland zu gehen? Das habe auch ich mich gefragt, bevor wir nach England gezogen sind. Der richtige Zeitpunkt in vielerlei Hinsicht. Vielleicht an erster Stelle: Ist es der richtige Zeitpunkt für mein Kind (für meine Kinder)?

Als wir in unser Expat-Abenteuer starteten, war unsere Tochter noch keine vier Monate alt; die Entscheidung fiel, als sie noch nicht auf der Welt war. Unser Sohn würde dort nur ein Jahr später zur Welt kommen (das konnten wir beim Abflug natürlich noch nicht ahnen). Wir verbrachten unsere Auslandsjahre also mit zwei Kleinkindern. Und ja, es war in vielerlei Hinsicht der richtige Zeitpunkt.

War es für die Kinder der richtige Zeitpunkt?

Ja, aus der Sicht der Kinder war es richtig,

weil es im Babyalter keine Mühe macht, ein Kind zu verpflanzen. Zuhause ist da, wo die Eltern sind;
weil sich viele Anknüpfungspunkte im Gastland ergeben durch Babygruppen, Babyschwimmen, Kinderturnen, Musikgruppen und schließlich Krippe und Kindergarten.
weil die Kinder in zwei Sprachen sprechen lernen. Wir haben mit ihnen neue Lieder, Reime, Bücher und Spiele entdeckt und wir empfinden es alle bis heute als unglaublichen Schatz, dass wir aus dem Fundus zweier Kulturen schöpfen konnten.

Und dann wiederum, war es auch nicht der richtige Zeitpunkt,

weil für die Kinder die Rückkehr keine Rückkehr war, sondern ein Entreißen aus der Heimat, wie sie sie kannten;
weil sie ihre ersten Freunde verloren und noch zu klein waren, selbst Kontakt zu halten;
weil sie ihre Zweisprachigkeit nicht behalten bzw. festigen konnten, denn im Grundschulalter wächst ihr Wortschatz in Deutsch noch so unglaublich, die zweite Sprache aber hinkte hinterher.
weil ihnen nur spärliche Erinnerungen bleiben.

Und war es aus meiner Sicht der richtige Zeitpunkt, als junge Mama das Expat-Abenteuer zu wagen?

Vor unserer Abfahrt hätte ich eindeutig „Ja“ gesagt. Mir schien es optimal, Mutterschutz und Elternzeit dafür nutzen zu können und nicht kündigen zu müssen. Ich war nicht verwurzelt in Stuttgart, hatte erst ein gutes Jahr dort gelebt und keine Freundinnen dort. Es war mir klar, dass ich in der anstrengenden Babyzeit weitgehend auf mich gestellt sein würde. Ich wusste oder hoffte zumindest, dass es aber auch Dank der Kleinkinder leichter sein würde, neue Kontakte zu knüpfen. (Teenager gehen allein zum Sport – wo lernt man also andere Mütter kennen?)

Heute weiß ich, was ich nicht bedacht hatte. Zum einen, was Expat-Leben mit Babys und Kleinkindern auch bedeuten kann. Zum anderen, wie es bei der Rückkehr sein würde (deren Datum man ja vorher nie zu hundert Prozent kennt).

Expat-Leben mit Babys bzw. Kleinkindern heißt: Start ins Familienleben und Start ins Ausland-Abenteuer unter erschwerten Bedingungen. Die ersten zwei Jahre unserer Expat-Zeit waren die Jahre mit zwei Kindern unter 2, d.h. zwei unglaublich kraftzehrende Jahre. Immer zu wenig Schlaf, ständiges Wickeln und Füttern, oft kranke Kinder. Damit fehlte uns an vielen Tagen schlicht die Energie, Land und Leute so zu erkunden, wie wir es uns vorgenommen hatten. Unser Unternehmungsgeist, bestimmte Dinge zu wagen, schrumpfte in dem Maße, wie die Babylogistik anschwoll. Ein Städtetrip am Wochenende, wenn man Gepäck hat wie für einen zweiwöchigen Urlaub (Zwillingswagen, Reisebetten, Windelvorrat, Gläschen & Co.)? Och, nö. Lieber nicht.

Aber auch zu zweit haben wir weniger unternommen, als wir vorher in unserer Naivität glaubten. Wir mussten uns erst mühsam eine kleine soziale Infrastruktur aufbauen, um überhaupt einmal ins Restaurant gehen zu können. Und hätten wir nicht liebe Besucher gehabt, die für uns den Babysitter spielten, dann hätten wir in den ersten Jahren kaum mehr als die Schafweiden um uns herum gesehen.

Und was hieß es für die Rückkehr aus der Expat-Zeit?

Wie sich zeigte, war die Tatsache, dass ich die Auslandsjahre in Elternzeit verbringen konnte, keine Garantie in den Job zurück zu kehren. Im Gegenteil – aber das ist einen eigenen Post wert. Außerdem ließ ich meine neuen Freundschaften aus der Babyzeit in England zurück. Kehrt man mit Schulkindern heim und zwar nicht an den Ort, an dem man zuvor schon lange gelebt hat, dann finden zwar die Kinder (hoffentlich) schnell Freunde in der Klasse, aber man selbst tut sich mitunter schwer. Denn auch in Deutschland knüpft man leichter Kontakte im Baby- und Kleinkinderalter. Mir schien es in den ersten Monaten, als würden sich alle Mamas, die mir begegneten, seit den Tagen der Rückbildungsgymnastik kennen. Da war wenig Platz für neue Einträge im Adressbuch.

War es also für uns doch nicht der richtige Zeitpunkt? Doch, das war es trotzdem. Denn mir ist klar geworden, dass zu jedem Zeitpunkt im Leben die Herausforderung die gleiche ist:

Man muss sich lösen von den eigenen Erwartungen, den Idealvorstellungen, wie das Leben sein soll, wenn die Kinder ein bestimmtes Alter haben.

Man muss flexibel sein, sich auf das Neue oder Andere einlassen. Das fällt immer schwer – egal wann und egal wie alt die Kinder sind. Natürlich hatte ich mir vor dem ersten Kind ausgemalt, was ich als Neu-Mama alles tun würde, in welchem Café ich mit welcher Freundin in der Sonne sitzen würde. Dann gab es erstmal weder Café noch Freundin dazu (auch weniger Sonne ;-) ), aber jede Menge anderer Dinge, die ich sonst nie erlebt hätte. Statt Pekip-Gruppe gab es die Gym Babes, statt Brezel im Kinderwagen gab es ein Schächtelchen Rosinen. Und die Kinder sind trotzdem munter groß geworden. Ich nehme an, so wäre das in jedem Alter gewesen.

Das habe ich natürlich damals nicht zu jedem Zeitpunkt so gesehen. Deswegen schreibe ich das heute. Es gibt keinen idealen Zeitpunkt. Selbst die so ideal erscheinende Variante Elternzeit = Auslandszeit erwies sich in meinem Fall als Trugschluss. In jeder Phase gibt es Für und Wider. Machen wir uns also nicht verrückt mit dieser Frage. Was meint ihr?

Autor

Jonna Struwe, freiberufliche Autorin, Bloggerin und Gründerin von Expatmamas.de, dem Portal für Familien im Ausland

4 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Yvette [engel + banditen] sagt:

    Danke für den schönen Beitrag. Ich finde: der richtige Zeitpunkt ist immer der, in dem man bereit ist, loszuziehen.
    Wir sind nach Frankreich gegangen, als meine älteste Tochter 2 war und sind kurz vor Ihrer deutschen Einschulung zurückgekommen- in eine neue Stadt. Perfekter Zeitpunkt! Ihr französisch haben wir mit Aupair-Mädchen erfolgreich aufrecht erhalten bis zum Gymnasium ;-)
    Tochter Nr 2 ist in Frankreich geboren und war dann bei der Rückkehr 2. Sowieso kein Problem.
    Jetzt waren wir nochmal ein halbes Jahr in den USA- die Mädels sind inzwischen 12, 9 und 6. Was soll ich sagen? Super Zeitpunkt!
    Allerdings wollte ich diesmal nicht länger bleiben, da meine Eltern nun alt sind und ich nicht ihre letzten Jahre weit weg sein wollte.
    Wer weiß- vielleicht später nochmal?
    LG, Yvette

    1. Jonna sagt:

      Merci für das Kompliment. Ein Aupair ist eine super Idee! Wir haben uns mit einer Spielgruppe beholfen und Büchern, Büchern, Büchern. Immerhin – das Gefühl für die Sprache ist geblieben und ein passiver Wortschatz auch. Liebe Grüße Jonna

  2. Pamela sagt:

    Hallo,

    ich hatte mir zum richtigen Zeitpunkt kaum Gedanken gemacht, da ich sowieso auf Jobsuche war und die Kinder noch klein. Ich war sehr überrascht, dass meine älteste Tochter mit 3 Jahren schon solche Probleme hatte, sich um zu gewöhnen. Sie hat selbst nach einem Jahr noch manchmal Heimweh. Mir bricht das immer das Herz, sie so zu sehen.

    Gruß, Pam

  3. […] Der richtige Zeitpunkt hieß mein Post vor ein paar Wochen: Wann ist der richtige Zeitpunkt mit Kindern ins Ausland zu gehen? Meine Variante hieß seinerzeit Expatzeit = Elternzeit und sie war in vielerlei Hinsicht ein guter Zeitpunkt. In einem Aspekt aber definitiv nicht: was die Rückkehr in den Job anging. Was ich in dem Post damals nur angedeutet hatte, kommt heute endlich als ganze Story. […]

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