Das Leben unserer Expat-Kinder besteht aus vielen Abschieden. Erst lässt man in Deutschland Freunde, das Zuhause und geliebte Orte zurück. Dann muss man auch in der Expat-Gemeinde immer wieder Menschen Lebewohl sagen, die vor uns das Gastland wieder verlassen; und schließlich kommt der Moment, in dem die Familie selbst wieder die Koffer und Kisten packt, weil die Entsendung vorbei ist. Das bedeutet viele Umbrüche in nur wenigen Jahren, die für die Kinder oft schwer zu verkraften sind. Expat-Mamas geben ihr Bestes, die Kinder zu trösten, aufzufangen und ihnen Mut zu machen – und fühlen sich manchmal mit dieser Aufgabe allein und manchmal auch überfordert. Ann Wöste, selbst jahrelang Expatmama und heute Coach für Expat-Familien erzählt heute hier, wie wir mit der Trauer unserer Kinder umgehen können.
Wie wir unsere Kinder trösten können
Ein Gastbeitrag von Ann Wöste – Coach für Expat-Familien und Expatmama
Meine Kinder sind klassische Third Culture Kids, d.h. sie haben einen Teil ihrer Entwicklungsjahre in einer Kultur verbracht, die nicht die ihrer Eltern ist, die aber durch ihren Expat-Status auch nicht identisch ist mit der ihres Gastlandes, sondern eben eine Mischung. Unsere Familie hat viele Jahre an verschiedenen Auslandsstandorten gelebt. Meine Tochter ist in Shanghai zur Welt gekommen, und mein Sohn war gerade zehn Wochen alt, als er mit uns nach Portugal ausgereist ist. Mit vier und zwei Jahren ging es dann für die Beiden erneut nach China, bis wir 2014 erstmalig wirklich in Deutschland sesshaft wurden. Da waren meine Kinder dann 8 und 10 Jahre alt und verbanden mit ihrer deutschen Heimat nicht mehr als Weihnachten und die Sommerferien.
Die unter Expat-Familien so gefürchteten Übergänge haben sie also gleich mehrfach erlebt. Da meine Tochter eher der expressive Typ ist und lautstrak kundtut, wenn ihr etwas auf die Seele drückt, war ich in meiner Not während eines Heimaturlaubs bei einer Elternberatung, da ich im Ausland nirgendwo Unterstützung für solche Probleme finden konnte. Als ich der Dame mein Leid klagte, meinte sie abschießend: „Naja, so ein bisschen scheint das ja schon mit Ihrem Lebensstil zusammen zu hängen…“ Oh ha, das hat mich getroffen. Konnte das wirklich sein?
Was brauchen Third Culture Kids?
Bis dahin hatte ich nichts von Third Culture Kids gehört, denn dieses Thema ist erst in den letzten Jahren auch in Deutschland stärker in den Fokus gerückt. Also habe ich angefangen, mich damit zu beschäftigen, und festgestellt, dass viele Eltern in meiner Umgebung mit ganz ähnlichen Themen zu kämpfen hatten. Aus der Erkenntnis, dass Expat-Partnerinnen mit vielen Herausforderungen, die sie selbst als Frau oder als Mutter betreffen, doch ziemlich allein gelassen werden, habe ich mich entschlossen Coach bzw. Psychologische Beraterin zu werden, um genau diese Zielgruppe unterstützen zu können.
Mir und meinen Kindern hat es vor allem bei der Rückkehr sehr geholfen, dass ich mich mittlerweile gut auskannte und die Rückreise entsprechend vorbereiten konnte. Aus dem Bauch heraus hätte ich stets Stein und Bein geschworen, dass ich als Mutter schon weiß, was für meine Kinder gut und richtig ist.
Aber in der Rückkehr stecken viele Stolperfallen, die ich rein instinktiv sicher anders angegangen wäre.
Abschied und Trauer auch bei der Rückkehr
Abschied und Neuanfang liegen oft dicht beieinander, und es scheint viel leichter, den Blick, wie wir es im Coaching ja auch oft tun, auf das positive Neue zu richten. Das mag auch eine Weile gut funktionieren: die Aussicht, Oma und Opa jetzt öfter zu sehen, endlich in den Fußballverein eintreten zu können oder regelmäßig Reiten zu gehen, ein schönes neu eingerichtetes Zimmer… in all diesen Dingen liegt Verheißung, und sie können den Abschied versüßen.
Das Kind ist traurig und weint, weil es nun seine beste Freundin nicht wieder sieht, und wird mit dieser Aussicht auf Schönes vermeintlich getröstet. In unserem Leben findet die Trauer oft keinen Platz und keine Ausdrucksmöglichkeit. Nicht zuletzt, weil sie auch uns Eltern in ihrer Heftigkeit Angst macht, und uns zwingt, uns mit unserem eigenen Schmerz auseinander zu setzen, den wir nur allzu gerne weit weg schieben.
Ich bilde da keine Ausnahme. Ohne das Wissen, wohin unverarbeitete Trauer bei TCKs führen kann, hätte ich wohl eben diesen Weg gewählt. Auch mir forderte die Rückkehr und die damit verbundene Arbeit und Organisation viel ab. Wenn aber die Kinder ihren Abschiedsschmerz nicht verarbeiten können, kann das in Wut umschlagen (Wut, um die Traurigkeit nicht spüren zu müssen) oder in inneren Rückzug (was im Extremfall in einer Depression enden kann) oder in Bindungsängste (aus Angst, verletzt zu werden, gehen sie keine tiefen Beziehungen ein).
Gefühlsausbrüche der eigenen Kinder auszuhalten und nicht mit ein paar ermutigenden Worten im Keim zu ersticken, ist ein ziemlicher Kraftakt. Außerdem bricht es einem als Mutter das Herz, sein Kind so verzweifelt zu sehen, und man möchte diesen Zustand möglichst schnell beenden.
Wie wir wirklich helfen können
Aber es lohnt sich! Mit Kindern bewusst Abschied zu nehmen von liebgewonnenen Orten und Menschen und ihnen klar zu machen, dass das Leben, so wie sie es bisher kannten, zu Ende ist; ihnen die Gelegenheit zu geben, über Ängste, Sorgen und Verluste zu sprechen, und ihnen wirklich zuzuhören. Damit meine ich im wahrsten Sinne des Wortes aktiv zuhören.
Mit unserer Aufmerksamkeit ganz beim Kind sein und möglichst wenig reden. Vor allem, wenn wir versuchen die Gefühle und Bedürfnisse unserer Kinder aus dem Gesagten herauszufiltern und in Worte zu fassen und ihnen zurück zu spiegeln, fühlen sie sich sehr verstanden und angenommen.
Den Kindern ihre Trauer und die Ausdrucksform, die sie dafür wählen, als angemessen und richtig zu spiegeln – all das sind Voraussetzungen für einen heilsamen Verlauf dieses Prozesses, der einem psychisch stabilen Wiedereintritt überhaupt erst den Boden bereitet.
Also habe ich mich im Aushalten, Zuhören und in den Arm nehmen geübt, und wir haben gemeinsam heftige und weniger hefige Gefühlsausbrüche überstanden, haben von der Ayi bis zum Kletterbaum alles gebührend verabschiedet, Erinnerungsalben hergestellt und Fotos gemacht, und dürfen uns jetzt alle in Deutschland wieder bzw. erstmals heimisch fühlen.
Ann Wöste ist zertifizierter Schema- und Hypno-Coach. Das Thema, sich auch als globale Nomaden zu Hause fühlen zu dürfen, liegt ihr sehr am Herzen. „Überall zu Hause“ heißt deshalb ihr Coaching-Angebot für Expat-Partner und Third Culture Kids. Schaut gern auf ihrer Homepage vorbei oder schreibt ihr unter coaching@die-globale-Familie.de, wenn es Themen gibt, die nicht mit einem Gespräch mit der Nachbarin zu klären sind.