Antje hat mit ihrem Mann 20 Jahre im Ausland gelebt (Saudi-Arabien, Indien, Libyen und in den Vereinigten Arabischen Emiraten). „Unterwegs“ sind zwei Töchter dazugekommen und vor 3 Monaten kehrte sie mit ihrer Familie nach Deutschland zurück. Da wollte ich natürlich wissen, wie sich die Heimkehr nach so langer Zeit anfühlt.
War der Umzug nach Deutschland ein Neuanfang für Euch oder mehr eine Rückkehr in ein bereits bekanntes Leben?
Beides. Da wir in unsere Herkunftsregion bzw. -stadt zurückgezogen sind, wo auch unserer beider Familien leben, war es ein Stück weit Rückkehr. Da sich jedoch Menschen wie auch ganze Länder über so viele Jahre hinweg entwickeln und wir als junges Paar „ausgezogen“ sind in die Welt, aber unterwegs Familie wurden, ist natürlich auch vieles neu und anders. Ich hatte mir bei der Rückkehr vorgenommen, das hier einfach erst einmal etwas wie ein weiteres neues „Ausland“ zu betrachten und zu entdecken – es hilft, die typische Ex-Expat-Falle zu umgehen, zu glauben, heimzukehren, aber gar nicht wirklich heimkehren zu können.
Warum seid ihr zurückgekommen?
Es kamen viele private Gründe zusammen, dass jetzt eine gute Zeit dafür wäre, die uns zu dieser Entscheidung führte.
Was gefällt Dir an der deutschen Lebensart?
Ich finde es gar nicht leicht, das zu beantworten. Denn auch wenn wir mit der Zeit nun viele, definitiv sehr andere Lebensarten in fremden Ländern kennengelernt haben, so kann ich trotzdem nicht genau sagen, was denn die „deutsche“ tatsächlich ist?! Nicht nur regional, sondern natürlich auch von Mensch zu Mensch gibt es da so viele Unterschiede … Zumal ich auch den Eindrucke habe, dass es diese große Homogenität, die es vielleicht tatsächlich kulturell vor zwanzig Jahren noch gab (da wiederum deutlich unterschieden nach Ost- und Westdeutschland), so heute gar nicht mehr gibt. Nicht nur die Speisekarten sind viel „bunter“ geworden – auch die Möglichkeiten der Lebensführung sind m.E. wesentlich vielfältiger.
Eins fällt mir ad hoc ein: Diese absolute Verlässlichkeit und Exaktheit, die ich einst z.B. von deutschem Kundenservice kannte (egal, ob pünktliche Handwerker oder korrekte Auskunft bei Hotlines) gibt es so nicht mehr.
Woran wirst Du Dich vielleicht nie (wieder) gewöhnen?
Nach relativ kurzer Zeit zurück weiß ich das noch nicht genau. Winterliche Kälte und fiese Windböen könnten so was werden … Die deutsche „Blockwart-Mentalität“ von Leuten, die meinen, einem mitteilen zu müssen, wie etwas gemacht werden muss, das man schon immer so gemacht hat – die fand ich ohnehin früher schon nervig oder possierlich (je nach meiner jeweiligen Grundlaune).
Wie hat sich deine Familie wieder eingelebt?
Auch das ist noch schwer abzuschätzen nach drei Monaten. Da wir jeden Sommer und auch zu Weihnachten stets hier waren, kommt einem erst einmal nicht so viel „fremd“ vor. Ansonsten befinden wir uns alle irgendwie noch „in transit“. Die Wohnung, in die wir ziehen wollten, wird nun wohl erst Ende des Jahres bezugsfertig sein, was wir nicht beeinflussen konnten; daher leben wir momentan möbliert.
Zudem ist unsere große Tochter gerade ausgezogen (wenn man das im jetzigen Zustand des Nichtzuhauseseins überhaupt so nennen will) und geht zum Studium in ein anderes Bundesland. Wenn, wird sie sich dann wohl dort einleben!
Unsere jüngere geht nun auf ein deutsches Gymnasium. Selbst wenn sie bisher an einer deutschen Auslandsschule war, ist hier natürlich vieles anders und braucht Zeit. Während z.B. wir Eltern noch „alte“ Freunde und Bekannte von früher haben, kann sie auf so etwas nicht zurückgreifen und muss jetzt völlig neue Bindungen finden. Wir sind optimistisch, dass wir alle hier „ankommen“ werden; nur etwas verzögert eben.
Was vermisst Du am meisten?
Die Wärme und Sonne. Die oft bedingungslose Freundlichkeit Fremder uns gegenüber in den Gastländern. Die guten Freunde, die wir immer wieder und insbesondere am letzten Lebensort zurückgelassen haben. Expats sind schon ein besonderes „Völkchen“; diese unkomplizierte Offenheit und Kontaktfreude ist ein wahrer Schatz gewesen. Ganz besonders vermisse ich dieses wohl einmalig-kunterbunte Gemisch aus Kulturen, Sprachen, Hautfarben, Religionen, Festen, Speisen usw., das in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf geradezu vorbildhafte Art zusammenlebt! Die Weltoffenheit und Toleranz dort in weit gesteckten, aber klaren Grenzen – das hat mich fasziniert.
Wie geht es Dir jetzt? Welche Pläne hast Du für Deine Zukunft?
Wir versuchen, alles zu genießen, was man in Deutschland unbestritten an Gutem und Schönem haben kann:
Wald und Wandel der Jahreszeiten. Programmkino und öffentlichen Nahverkehr. Zu Fuß gehen, alte Freunde (öfter) treffen, die eigenen Familien häufiger sehen.
Natürlich ist das mit dem „Ankommen“ durch die Wohnsituation, wie gesagt, etwas erschwert, aber im Großen und Ganzen ist alles gut so. Prinzipiell haben wir vor, nun einmal für lange oder gar für immer in Deutschland zu bleiben nach zwei Jahrzehnten auf Achse.
Ich selbst habe vor, noch dieses Jahr die englische Übersetzung meines ersten Romans „Weniger“ herauszubringen und hoffentlich im nächsten Jahr dann das fast fertige Manuskript des nächsten Buchs veröffentlichungsreif zu bekommen. Alles andere, was sich „nebenher“ noch beruflich und auch privat ergeben mag, warte ich gelassen, aber neugierig ab.
Würdest Du etwas anders machen, wenn Du die Uhr zu einem Zeitpunkt vor dem Umzug zurückdrehen könntest?
Ich würde wohl eine Fee engagieren, die dafür sorgt, dass unsere „Zielwohnung“ sofort bezogen werden kann und am besten der Container gleich mit uns angekommen und auch alles gleich fertig in der Wohnung eingeräumt gewesen wäre :-)
Vielen Dank liebe Antje, dass du dir die Zeit genommen hast! Ich wünsche dir viel Erfolg mit deinen Buchprojekten!
Mehr zum Thema Rückkehr nach Deutschland findest du hier: Expatmamas-Wissen: R – Rückkehr und Reverse Culture Shock
Liebe Antje, danke für deinen Bericht! Ich selbst bin vor 5 Jahren (ist es wirklich schon so lange her?!) aus AD zurückgekehrt. Bei mir waren es nur 3 Jahre dort, aber sehr prägende. Obwohl ich mit meiner Familie in meine Heimatstadt und in unser eigenes Haus in vertrauter Nachbarschaft zurückgekehrt bin, so hat es für mich persönlich 2 Jahre gebraucht, bis ich meine Traurigkeit verloren habe. Auch wenn hier alles vertraut war. Inzwischen lebe ich wieder sehr gut hier, aber ich habe mich verändert durch die Expat Erfahrung. Alles, was du vermisst (oder glaubst, vermissen zu werden), vermisse ich auch heute noch. Es tut aber nicht mehr weh. Ich weiß, dass ich in AD eine „zweite Heimat“ habe und wenn ich alle 2 Jahre dorthin fliege und meine besten Freundinnen besuche, dann fühle ich mich wieder zu Hause (auch wenn sich diese Stadt rasant verändert). Ich wünsche dir un deiner Familie ein gutes Einleben!