Als Expat-Partnerin fühlt man sich oft wie das vom Unternehmen vergessene Anhängsel des entsandten Mitarbeiters. Längst ist es noch nicht Standard, dass Expat-Partnerinnen von den Personalabteilungen mit einbezogen werden in den Prozess. Und daher freue ich mich sehr über die Gastautorin heute, die jahrelang Expats für ein großes Unternehmen betreut hat und die über ihren Tellerrand auch die Expat-Partnerinnen gesehen hat.
Wie Unternehmen mit Expat-Partner umgehen (könnten)
Im Leben kommt es ja oft darauf an, wem man begegnet. Kommen wir an einen neuen Ort und der erste Kontakt ist ein unfreundlicher Mensch, sind wir geneigt, alles viel negativer zu betrachten. Gehen wir auf eine Party und haben schon in den ersten Minuten ein nettes Gespräch, gehen wir davon aus, dass wir einen tollen Abend vor uns haben.
Überhaupt: Gespräche. Das Gefühl zu haben, dass es jemanden gibt, der gerne zuhört, der einfach da ist und uns Aufmerksamkeit schenkt, ist oft erst einmal viel entscheidender dabei, wie wir eine Situation bewerten, als der tatsächliche Input des Anderen.
Beispiel Entsendung: Als begleitende Expat-Partnerin macht es u.a. einen großen Unterschied, wem man beim entsendenden Unternehmen begegnet. Gibt es in der Personalabteilung jemanden, der mich anhört? Oder bleiben das anonyme Büromenschen, die sich nur um den angestellten Expat kümmern, aber bitte mit dem Anhang nichts zu tun haben wollen?
Gerade wenn Unternehmen die begleitenden Partner und Familien nicht explizit in die Betreuung der Expats mit einbeziehen, kommt es sehr darauf an, wem man auf der anderen Seite des Schreibtischs begegnet und ob derjenige es sich selbst zur Aufgabe macht, den Expat-Partner anzuhören. Bei mir war das leider nicht der Fall. Die Personalabteilung war für mich eine Black Box, die Kommunikation verlief als Stille-Post-Spiel über meinen Mann. Dass es im selben Unternehmen auch anders gehen kann, habe ich erst gelernt, als ich Andrea Hohlweck traf. Sie erzählt euch heute von der anderen Seite des Schreibtischs.
Wenn Expatmamas-Nöte nicht auf taube Ohren stoßen
Ein Gastbeitrag von Andrea Hohlweck
Ich war viele Jahre im Expatriate-Management eines großen Automobilkonzerns tätig und kann mich noch gut an den Moment erinnern, der einen kleinen Wendepunkt markieren sollte. Es war kurz vor Weihnachten – die Zeit zu der viele Expats in die Heimat reisen und Familie besuchen – als eine Expat-Partnerin unangemeldet in mein Büro schneite. Sie war einigermaßen aufgelöst und bombardierte mich mit Beschwerden, die ich so oder so ähnlich schon viele Male gehört hatte: „Nie ist der Personalbereich in Deutschland erreichbar! Der Personalbereich in Indien ist völlig inkompetent! Der COLA (Cost of Living allowance) ist zu niedrig – wissen Sie, was ein Stück Gouda in Pune kostet? Sie setzen die Gesundheit meiner Familie aufs Spiel: meine Tochter hat seit drei Monaten einen Schnitt am Fuß, der nicht verheilt. Und wissen Sie überhaupt, was es für meinen Sohn heißt, dass es an seiner Schule keine Fußball AG gibt? Und auf dem Gelände gegenüber verbrennen DIE ihre Leichen – die Kinder haben schon Alpträume!“ Endlos ließe sich dies fortsetzen. (Und ich wusste: weder war ich persönlich gemeint, noch ein besonderes Land.)
Das Leben im Ausland kann belastend sein
Das Vernünftigste schien mir, die Tür zu schließen, sie mit einem „Bitte nicht stören Schild“ zu schmücken und zwei Becher Kaffee zu besorgen. Auf meine Bitte, einfach mal von vorne anzufangen, platzte sie weinend heraus: „Mich gibt es nicht mehr! Ich werde meinen Mann verlassen und nach Deutschland zurückkommen.“
Für Menschen, die nie selbst als Expatpartner/partnerin im Ausland waren oder die nie in diesem Kontext gearbeitet haben, mag dies exaltiert und übertrieben anspruchsvoll klingen. So ein Auslandseinsatz ist doch toll, ein echtes Abenteuer. Ich hatte als Leiterin Expatmanagement Asia/Arabia jedoch viele Familien zerbrechen sehen.
Oft sind die Expats selbst unter einem enormen Druck, in kürzester Zeit in der neuen Funktion Fuß zu fassen und Veränderung zu bewirken. Sprich sie sind kaum im neuen Zuhause. Die Partner jedoch haben die große Verantwortung für das emotionale Ankommen im neuen Land zu sorgen: für die Kinder, den Partner und sich selbst. Dies bedeutet eine enorme Anpassungsleistung. Und häufig vergessen sie, dass es auch noch sie selbst gibt.
Und sobald sie dies feststellen, spüren sie meist erstmals, dass sie aus ihrem bisherigen sozialen Gefüge gefallen sind. Die Zeitverschiebung macht Telefonieren fast unmöglich. Eigene berufliche Ziele werden auf Eis gelegt. Es gibt keine Kollegen, mit denen sich mal rasch plaudern lässt. Und dann gelingt es auch den Kindern nicht immer sich rasch an die neue Umgebung zu gewöhnen. Gefühle von großer Traurigkeit und Einsamkeit stellen sich ein. All dies kann sehr belastend sein.
„Heimweh? Ich doch nicht!“
Heimweh ist ein Gefühl, dass sehr oft schambesetzt ist. Und zudem ist es alles andere als zeitgemäß in unserer globalisierten Welt. Menschen leiden unter Heimweh, aber sie reden nicht darüber.
Auch die Expats selbst können in ein solches Tief geraten. Jedoch ist die Phase der Eingewöhnung meist leichter, da die Infrastruktur am Arbeitsplatz vertraut ist: Es gibt Büros mit der entsprechenden Ausstattung, KollegInnen und AssistentInnen, die übrigens meist auch Englisch sprechen, es gibt Meetings, häufig gibt es begleitende Trainings- oder Coachingprogramme.
Als Psychologin weiß ich, dass schon normale Umzüge innerhalb eines Landes zu gravierenden Anpassungsstörungen führen können. Nach der Definition der International Statistical Classification of Diseases (ICD-10) der WHO ist eine solche Störung ein
„subjektives Leiden und eine emotionale Beeinträchtigung mit Einschränkung der sozialen Funktionen und Leistungen nach entscheidenden Lebensveränderungen (z.B. Umzug) oder belastenden Ereignissen (z.B. Trennung).“
Und ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist darüber zu sprechen. Ich kenne Heimweh – und dies selbst innerhalb von Deutschland! Beides hat mir den Umgang mit den oft hochemotionalen Diskussionen erleichtert.
Schon immer war ich der Meinung, dass diese Verzweiflung nicht sein muss!
Zuhören, ernst nehmen
Mit der aufgelösten Frau sprach ich an jenem Vormittag fast zwei Stunden. Ich nahm sie ernst, ich hörte zu und fragte nach. Ich erklärte ihr auch (und hier ist es tatsächlich hilfreich Dipl.-Psychologin zu sein), dass bestimmte Themen bei vielen Expat-Partnern ähnliche Emotionen auslösen. Oft werden Grundbedürfnisse verletzt nach
- Autonomie (die Entscheidung haben die Partner ja meist nicht ausgelöst)
- Eingebunden sein (die sozialen Bezüge verändern sich dramatisch)
- Sicherheit (wie gefährlich ist es auf die Straße zu gehen) und
- Status (kann ich dort arbeiten etc.).
Dies führt häufig dazu, dass Menschen sich zurückziehen. Und Rückzug verschlimmert das Empfinden in der Regel.
An diesem Dezembertag rettete ich nicht die Welt und sicher schenkte ich dieser Frau auch keinen Frieden mit dem Thema. Dennoch verabschiedete sie sich mit folgenden Sätzen von mir: „Es tut so gut, mit jemand Intelligentem zu sprechen, der auch zuhört. Und noch besser fühlt es sich an, dass es offenbar normal ist. Danke.“
Auf den ersten Satz bilde ich mir nichts ein – alle, die ihre Zeit schon mal damit verbracht haben Kinder zur Schule zu bringen und abends wieder abzuholen, die viel allein sind, evtl. Hindi sprechenden Maids Englisch beibringen und sich sonst nicht aus dem Compound trauen, kennen dies.
Zeit nehmen für die Expat-Partner
Im oben genannten Fall, wusste ich, dass ich zusammen mit einer Mitarbeiterin zwei Monate später in Indien sein würde. Anlass einer solchen Dienstreise ist natürlich nicht gewesen, mit den Expat-Partnerinnen zu sprechen, sondern eine Umstellung in Geschäftsprozessen mit Geschäftsführern und Personalleitern zu besprechen. Aber wir klärten innerhalb der Abteilung, dass wir einen Nachmittag mit den „Spouses“ verbringen wollten, was als gute Idee aufgegriffen wurde.
Uns war bewusst, dass das schwierig werden würde und wir uns außerhalb unserer üblichen Rollen bewegten. Wir sprachen mit den Expat-Frauen (dort waren es tatsächlich nur begleitende Frauen) über das, was sie bewegt, ärgert, nervt.
Sorgen und Nöte der begleitenden Frauen
Drei Hauptthemen klangen durch:
- Nicht wenige Äußerungen bezogen sich auf die dazugehörigen Männer, die die Not nicht erkannten und es wohl nicht selten vorkam, dass sie ihren Frauen sagten, wie gut sie es doch hätten. Autsch.
- Ein weiterer Punkt war das Thema eigene Berufstätigkeit. Für die meisten von den Frauen war es nicht möglich, in ihren Berufen oder überhaupt zu arbeiten.
- Und der dritte Pain Point war das Land – in diesem Fall muss ich jedoch sagen, dass insbesondere Indien spaltet. Entweder die Menschen lassen sich auf den indian lifestyle ein, mit allem Chaos, den das birgt oder sie sind davon völlig überfordert. Und ich nenne das hier deswegen erst am Ende, weil es in der Runde wirklich weit weniger emotional diskutiert wurde, als ich angenommen hätte: Einige fanden den Ausgleich der Lebenshaltungskosten bzw. die Mietbudgets nicht angemessen (was sonst ein häufiges Thema war.)
Dienstreisen standen für uns als Personaler nun nicht wirklich auf unserer monatlichen To-Do-Liste. Dennoch versuchten wir von da an, solche Nachmittage, v.a. an schwierigen Standorten, künftig mit einzuplanen. Es gab uns einen guten Eindruck davon, was an den Standorten „los“ war.
Erwartungen an Unternehmen
Allerdings weiß ich, dass die Erwartungshaltung an den Arbeitgeber oft andere waren: von „Verschaff mir einen Job“ über „Ich will ein Coaching“ bis hin zu „Das Spousal budget ist zu gering“. Und hier wird es tatsächlich schwierig. Der Arbeitgeber hat ja keinerlei vertragliche Verbindung zu den Partnern. Aus dem Netzwerk der Konzerne, die aus Deutschland heraus Expats entsenden, weiß ich, dass fast alle einen finanziellen Beitrag leisten zu beruflicher Weiterqualifizierung oder auch Unterstützung beim Erwerben einer Arbeitsgenehmigung o.ä.
Ich habe während meiner Expatmanagement-Zeit zwei bis drei Frauen näher begleitet (und weiß, daher z.B., dass auch die USA eine ziemliche Herausforderung sind). Und wenn ich sage „näher begleitet“, dann hatte das nichts mit meiner eigentlichen Arbeitsaufgabe zu tun. Ich tat es schlichtweg in meiner Freizeit via Skype. Ich fand es einfach sinnvoll und als Coach und systemische Beraterin fühlte ich mich diesen Gesprächen auch gewachsen, die häufig übrigens nach dem ersten Skypen auch die Beziehungsdynamik zum Inhalt hatten.
Eine Expatpartnerin aus den USA sagte damals zu mir: „Ohne die Gespräche mit Dir, wäre ich verrückt geworden!“ Und das hat mir bestätigt, wie wichtig sie sind.
Andrea Hohlweck hat der Gedanke an die Expatpartner und ihre Themen nie mehr losgelassen. Seit über einem Jahr ist sie als selbstständige Beraterin für Unternehmen tätig und bietet auch Expat-Partner-Coaching an. Mehr zu ihr und ihrem Angebot lest ihr auf ihrer Website und auf Facebook.
Sehr guter Bericht! Als Expat Coach und mitausreisende spouse kenne ich alle Seiten (inclusive zahlreiche Umzüge in Deutschland). Ich habe ebenfalls keinerlei Unterstützung von der Firma meines Mannes erhalten, als wir uns entschieden hatten für mindestens drei Jahre in die USA zu gehen. Es schien selbstverständlich zu sein, dass Probleme über meine weitere Berufstätigkeit oder zeitweise Unterbrechung ganz klar zuhause geklärt werden. Es wurde auch nicht nachgefragt, ob ich dazu Unterstützung benötige oder wir eine finanzielle Kompensation dafür benötigen.
Nach dem Motto „coach Dich selbst, sonst coacht Dich keiner“ habe ich auf meine Fähigkeiten und auf mein funktionierendes Netzwerk vertraut, um meine Vision vom Expat Aufenthalt zu skizzieren und nach und nach umzusetzen. Darüber bin ich sehr froh. Doch diese Möglichkeiten hat nicht jeder und manche Partner haben weit größere Familien als ich (1 Kind) und haben das dreifache an Organisation zu leisten, wenn es um Schule und soziale Integration geht.
Seit knapp einem Jahr arbeite ich nun mit deutschsprachigen Expats in den USA (Michigan). Zunächst im Alleingang, jetzt in Kooperation mit einem globalen Unternehmen, die Expats- und Expatpartner vor, während und nach der Ausreise unterstützen. Ich wünschte, dass weit mehr Firmen und Personalabteilungen dieses Angebot nutzen würden.
Ein bisschen erschreckt es mich in der Praxis schon, dass viele Frauen für sich selbst gar keinen eigenen Plan haben. Sie gehen mit ins Ausland, weil es für die Karriere des Mannes förderlich ist oder sein kann. Frauen, die berufstätig waren müssen oft kündigen, weil die TZ Stelle nicht auf 2-3 Jahre garantiert werden kann. Eine Stelle, die sie häufig hart erkämpft haben und ihnen nach langer Familienzeit gut getan hat. Vielen fehlt eine Perspektive, wie man die Zeit im Ausland für sich nutzen möchte (jenseits von Reisen und „Abenteuer“) oder eine Idee, wie es beruflich für sie weitergeht, wenn die Rückkehr nach Deutschland ansteht.
Ich glaube, dass jeder, der schon mal Expat im Ausland war oder in Deutschland von Ost nach West/Nord nach Süd umgezogen ist weiß, wie wichtig eine gute Unterstützung ist.
Liebe Nicole,
das hast du sehr gut auf den Punkt gebracht.
Viele Grüße
Jonna