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Frisch gelesen: Quiet Girl – Geschichten einer Introvertierten

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Ein Buch, eine Tasse Tee, eine kuschelige Decke – dieses Cover sprach alle Sinne in mir an. Der Titel „Quiet Girl“ hallte in mir nach. Denn auch in mir steckt ein „Quiet Girl“, das vor allem dann zum Vorschein kommt, wenn um mich rum die Welt lauter wird. Kennst du das?

Ich weiß, ich sehe die Buchwelt durch meine Expat-Brille. Ich will vor allem Kinder- und Jugendbücher für euch finden, in denen sich Expatkinder wiederfinden können. Bücher, die etwas in ihnen ansprechen, Bücher, die für sie tröstlich sein können. So wie diese Graphic Novel, die vor wenigen Tagen im Loewe Verlag erschienen ist.

Leises Mädchen – laute Welt

Wer irgendwo neu ist, ist in der Regel erst mal stiller. Abwartend. Beobachtend. Scheu. So wie Debbie, die Hauptfigur in „Quiet Girl“. Mit dem Unterschied, dass Debbie grundsätzlich in sich gekehrt ist:

„Debbie geht nicht gerne unter Leute. Sie schreibt lieber Textnachrichten als zu telefonieren und steht auf Partys lieber abseits. Ein perfekter Tag ist für Debbie, wenn es draußen regnet und sie mit einer Tasse Tee und einem Buch auf dem Sofa liegen kann. Natürlich fragt sie sich, ob etwas nicht mit ihr stimmt… Eine warmherzige Geschichte für alle, die einfach mal die Welt leise drehen wollen.“

Die Welt leise drehen – das ist ein Bedürfnis, das die meisten von uns kennen. Vor allem wenn die Welt draußen fremd und fordernd ist, der Alltag noch ohne Routinen und vertraute Gesichter.

Man muss selbst nicht grundsätzlich introvertiert sein, um nach zu empfinden, was Debbie Tung beschreibt. Introvertierte Tage oder Phasen kennen fast alle Expats in ihrer neuen Umgebung (und viele andere Menschen übrigens auch). Neu in Atlanta wollten meine Kinder z.B. am Wochenende am liebsten Zuhause bleiben. Nach einem Coffee-Morning in der neuen Schule, brauchte ich erstmal einen Tag Ruhe, um allen Input zu verdauen.

Das Sich-Zurechtfinden in vielen neuen Situationen, das Kennenlernen vieler neuer Gesichter, das Zuhören in einer fremden Sprache – das alles ist anstrengend. Man ist als Expat an manchen Tagen zutiefst erschöpft.

Und Debbie Tung hat einen wunderbaren Ausdruck dafür gefunden: Der soziale Kater.

Hattest du schon mal einen sozialen Kater?

Symptome des sozialen Katers sind bei ihr: Kopfweh, Müdigkeit, Trübsinn, Ärger und Gereiztheit. Ich erinnere mich noch genau, wie unglaublich müde ich in meinen ersten Schulwochen in Frankreich war. Und unseren Kindern ging es im Ausland ganz genauso.

Debbies Heilmittel bei sozialem Kater sind: Trostkekse, gute Bücher, Lieblingsmusik, Umarmung vom Lieblingsmenschen und vor allem ruhige Zeit allein.

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©Debbie Tung, Quiet Girl, Loewe Graphix 2022

Ja, es ist ok, manchmal allein sein zu wollen – das finde ich eine wichtige Botschaft für Expat-Kinder. Und auch für uns Expat-Eltern, die wir vielleicht meinen, das Kind muss ständig unter Leute, um schnell Freunde zu finden, oder es muss sich im Unterricht von Anfang an mehr beteiligen, um einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Das Für-sich-sein gibt Kindern Zeit, um die sozialen Batterien wieder aufzuladen.

Wie lange hält deine soziale Batterie?

Das Expatleben scheint mit ein paar Imperativen daher zu kommen:

Sei gesellig!
Geh offen auf alle zu!
Saug Kontakte auf, wo du kannst!
Lade zu dir ein!
Erkunde die Umgebung!
Erzähl von dir und was du tust!

Ja, alles richtig. Aber nicht immer und nicht ständig und nicht für jede*n. Man muss wissen, wie lange die eigenen Batterien reichen und wann die sozialen Akkus dringend geladen werden müssen.

Das ist die Kunst.

„Das Expat-Mantra „Raus aus der Komfortzone“ klingt so locker, flockig, leicht, als bräuchte man nur einen heilsamen Tritt in den Hintern und schon ist man mitten drin im Wunderland der Möglichkeiten. Eigentlich müsste es heißen „Rein in die Komfortzone“, denn das ist es, was man leisten muss: ein geborgenes Umfeld schaffen.“

Das würde ich heute noch genau so schreiben wie in meinem Text von 2020. Jede*r muss sich den Grad an Geborgenheit schaffen, den sie oder er zum Wohlfühlen braucht.

Wieviel Ruhe brauchst du?

Und das ist, was Debbie für sich zu erkennen versucht: Einladungen annehmen, mit anderen zusammenarbeiten, ausgehen – welches Maß tut mir gut? Ihre Angst, andere zu enttäuschen, wenn sie z.B. nicht auf jede Party gehen mag, kennen viele und viele sind wie sie trotzdem hingegangen, obwohl sie sich nicht gut dabei fühlten.

„So enttäuschst du dich aber selber“, sagt ihr Freund.

„Ja, aber es ist viel leichter, wenn ich diejenige bin, die leidet“, findet Debbie.

Vielleicht balancieren wir ein Leben lang aus, was und wieviel uns gut tut. Es mag Erwachsenen leichter fallen, weil wir uns selbst schon länger kennen und aus unserer Lebenserfahrung schöpfen können. (Wie war das damals in einer ähnlichen Situation? Was hat mir gut getan? Was nicht?) Doch auch Erwachsene tun sich mitunter schwer in einer neuen Umgebung, in der wir gefallen wollen.

Und so wie wir auf unser Bauchgefühl hören sollten, sollten wir die Signale unserer Kinder erkennen, um zu wissen, wann und wieviel Zeit zum Einigeln sie brauchen, in welchen Dosen sie neue Eindrücke am Besten verdauen können. Ob sie sonst eher extrovertiert sind, oder sie schon immer wie Debbie viel Zeit für sich brauchten. Das ist der Maßstab und nicht, was andere denken oder tun.

Ein stilles, schönes Buch

Und ich glaube, wenn man ein eher stilleres Kind hat, kann dieses Buch wunderbar sein, um zu sagen: Schau, anderen geht es auch so.

Oder wie Debbie Tung schreibt:

„In stiller Stärke liegt große Schönheit.“

Debbie Tung, Quiet Girl, S. 178

Nicht jeder muss laut sein.

Schlicht und prägnant schreibt Debbie Tung mit feinem Humor und einer Prise Selbstironie. Und genauso schlicht und prägnant illustriert sie auch. Obwohl sie nur schwarz-weiß verwendet, strahlen ihre Bilder Wärme aus. Sie sind weich gezeichnet in vielen Schattierungen und die Seiten sind abwechslungsreich gestaltet, mal mit Vignetten, mal las Comic-Strips, dann wieder mit ganzseitigen Illustrationen.

„Quiet Girl“ ist meine erste Graphic Novel und natürlich bin ich offiziell nicht die Zielgruppe. Sie ist für Teenager geschrieben, doch die Protagonistin ist eine junge Frau, erst Studentin, dann Uni-Absolventin, frisch verheiratet und im ersten Job. Debbie Tung hat über ihr eigenes Leben geschrieben, eine klassische Coming-of-Age-Geschichte, ihre Reise zu sich selbst und ihren Bedürfnissen. Und damit ist sie nicht nur für Teenager, sondern auch für ihre Mamas absolut lesenswert.

Frisch gelesen: Quiet Girl - www.expatmamas.de/expatmamas-blog/ #expatmamas #buchtipps

Debbie Tung
Quiet Girl – Geschichten einer Introvertierten*
Loewe Graphix 2022
184 Seiten
ISBN: 978-3-7432-1079-0
Hardcover mit Spotlack
15,00 EUR
ab 14 Jahren 

Auch als ebook erhältlich

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3 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Irmi sagt:

    Hallo Jonna, das was du da schreibst, können sicher sehr viele aus eigenem Erleben nachempfinden. Man redet ja nicht sehr viel über so etwas, aber viele, viele haben sehr ähnliche Erfahrungen und Empfindungen.
    Sehr tief gehend.

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